REGION – Leserbrief von Siegfried Kowallek zu einem Kommentar zur Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf

REGION – Leserbrief von Siegfried Kowallek zu einem Kommentar zur Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf

Zum Kommentar zur Wahl der Bundesverfassungsrichter in der Wochenzeitung im Bistum Trier, „Paulinus“, möchte ich einige Anmerkungen machen: Das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung soll nicht Politik gestalten, es geht dort in erster Linie um das juristische Argument. Im Rahmen des rechtswissenschaftlichen Diskurses ist es statthaft, darauf hinzuweisen, dass die derzeit geltende Regelung in sich widersprüchlich ist: Abtreibung ist gleichzeitig widerrechtlich und unter definierten Voraussetzungen straffrei. Wenn im Kommentar herausgestellt wird, es dürfe eine Abstufung beim Lebensrecht nicht geben, wird nicht bedacht, dass in Deutschland im Fall einer erwarteten Behinderung sogar bis unmittelbar vor der Geburt abgetrieben werden darf.

Weil die ursprüngliche Bezeichnung dafür, eugenische Indikation, wie auch der frühere Wortlaut im Strafgesetzbuch hässlich klangen und das seitens der Behindertenrechtsbewegung kritisiert wurde, wurde in den 1990er-Jahren durch die damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP eine kosmetische Veränderung vorgenommen, das Thema Behinderung hinter der medizinisch-sozialen Indikation versteckt: Gefahr für den seelischen Gesundheitszustand der Schwangeren.

Das bedeutet, dass auch bei einer geistigen Behinderung des Kindes wie beim Down-Syndrom nach wie vor sogar das geburtsreife Baby abgetrieben werden darf. Hin und wieder gibt es Berichte über glückliche Eltern, die von den Freuden ihres von Trisomie 21 betroffenen Kindes erzählen. Warum die Abgeordneten der Union sogar verpflichtet sind, die vom Kommentator als nicht wählbar bezeichnete Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin abzulehnen, ihr Gewissen jedoch bei einer letztlich Behinderte diskriminierenden Regelung ruht, mit der Frau Brosius-Gersdorf übrigens nie etwas zu tun hatte, erschließt sich mir nicht, zumal sie für den zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts kandidiert, der sich mit Abtreibungen nicht auseinandersetzt. Siegfried Kowallek, Neuwied

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