MAINZ – Wefelscheid kritisiert staatlichen Eingriff in Tarifautonomie
MAINZ – Wefelscheid kritisiert staatlichen Eingriff in Tarifautonomie – Wefelscheid: „Darf nicht sein, dass das Land hier versucht, in einem scheinbar kollusiven Zusammenwirken Lohnsteigerungen ohne Refinanzierung zu erzwingen und damit in letzter Konsequenz private Verkehrsunternehmen aus dem Markt zu drängen.“
„Die kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen, die in der Fläche den ÖPNV bereitstellen und somit für hunderttausende Menschen in Rheinland-Pfalz unverzichtbar im täglichen Leben sind, stehen seit einiger Zeit vor erheblichen Herausforderungen“, konstatiert Stephan Wefelscheid, Landtagsabgeordneter aus Koblenz. „Corona hat die Branche kräftig durchgeschüttelt, durch die Energiepreiskrise stiegen die Betriebskosten in erheblichem Maße. In dieser angespannten Lage ist für mich nachvollziehbar, dass beim Thema Lohnerhöhung auch die Frage der Gegenfinanzierung gestellt werden muss.“
Zu einem Konflikt über die Tarifgestaltung kam es vergangenes Jahr zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände des Verkehrsgewerbes Rheinland-Pfalz (VAV) und der Gewerkschaft Verdi. Ursächlich war, dass der RLP-Index, mit dem steigende Personalkosten der Verkehrsunternehmen vom Land aufgefangen werden sollen, nach Beschluss der Zweckverbände nur auf Neuverträge angewendet werden kann, soweit keine entsprechenden Öffnungsklauseln bestehen. Somit würden Unternehmen mit Bestandsverträgen massiv benachteiligt und die Wirtschaftlichkeit und damit der Betrieb des flächendeckenden ÖPNV vielerorts gefährdet, kritisierte die VAV.
Doch statt der Lösung des Konfliktes und der Übernahme des RLP-Index auch in Bestandsverträge soll in einer Sitzung eines Beirats des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung (MASTD) am Donnerstag den 3. Juli 2025 die Aberkennung des VAV aus der Liste der repräsentativen Tarifverträge des Landes empfohlen werden. Zudem soll stattdessen der Bezirkstarifvertrag über Mindestentgelte im rheinland-pfälzischen Nahverkehr mit Omnibussen (BezTV ME-N RP) als repräsentativ anerkannt werden, wodurch die privaten Verkehrsbetriebe künftig gezwungen wären, diesen Tarif anzunehmen. Denn andernfalls, so sieht es das Landestariftreuegesetz es in § 4 Abs. 3 vor, dürfen keine öffentlichen Aufträge an die Unternehmen vergeben werden.
„Das ist in meinen Augen ein direkter, politischer Eingriff in die Tarifautonomie zugunsten der Gewerkschaft und ein schwerer Schlag für die privaten Verkehrsunternehmen“, kritisiert Wefelscheid. „Wenn diese Empfehlung so kommt und umgesetzt wird, bedeutet dies, dass sich die privaten Verkehrsunternehmen einem Tarifvertrag unterzuordnen hätten, auf den sie selbst über ihren Arbeitgeberverband keinerlei Einfluss mehr haben – tarifrechtlich ein hochproblematischer Vorgang. Gleichzeitig ist es aus vergaberechtlicher Sicht höchst fragwürdig, ob ohne Anpassung der Bestandsverträge ein Wechsel des Tarifstatus überhaupt rechtssicher vollzogen werden kann.“
Besonders alarmierend seien die finanziellen Folgen – nicht nur für die Betriebe, sondern vor allem auch für die kommunalen Haushalte: „Wenn die Gewerkschaft Forderungen durchsetzen kann, indem man einfach den Tarifpartner wechselt, der aber in der Branche gar keine Bedeutung hat, geraten insbesondere die ohnehin stark belasteten Kommunen unter erheblichen Druck. Die Landesregierung riskiert durch diesen Schritt, dass am Ende die Allgemeinheit über ihre Städte, Gemeinden und Kreise die Kosten einer rechtlich und wirtschaftlich unklaren Tarifumstellung tragen muss – mit ungewissem Ausgang.“
Für Wefelscheid ist klar: „Das Land darf sich nicht in die Tarifautonomie einmischen. Weder die juristischen noch die finanziellen Folgen, auch für die Kommunen die das Ganze letztlich finanziell auffangen werden müssen, sind hinreichend geklärt. Aus dieser Entscheidung könnten sich unabsehbare rechtliche Probleme ergeben. Besondere Sorgen machen mir aber auch die Folgen für den ÖPNV. Daher sollte die Entscheidung zur Repräsentativität der Tarifverträge zunächst zumindest vertagt werden. Stattdessen muss zuerst geklärt werden, dass auch in Bestandsverträge der RLP-Index flächendeckend integriert wird. Jedenfalls darf nicht sein, dass das Land hier versucht, in einem scheinbar kollusiven Zusammenwirken Lohnsteigerungen ohne Refinanzierung zu erzwingen und damit in letzter Konsequenz private Verkehrsunternehmen aus dem Markt zu drängen.“