EUTENEUEN – Landrat mit großen Sorgen konfrontiert – Fa. Cryotherm fürchtet um Hochwasserschutz
EUTENEUEN – Landrat mit großen Sorgen konfrontiert – Fa. Cryotherm fürchtet um Hochwasserschutz
Es ist ein Ort, an dem die wirtschaftliche Transformation schon immer gelebt wurde – lange, lange bevor dieser Begriff zum Zauberwort des technologischen Wandels avancierte: Euteneuen, zwar direkt an der B 62 liegend, aber doch irgendwie versteckt, ist uralter Industriestandort. 1869 gründeten hier die Brüder Justus und Hermann Kraemer aus dem Kirchener Millionärs-Adel eine Pulverfabrik, gegenüber wurde in zwei Gruben Eisenerz abgebaut. In den 1920er Jahren entstand eine bedeutende Sauerstoff-Fabrik, wichtiger Zulieferer für alle großen Hüttenwerke des Siegerlands. Daraus ging 40 Jahre später die Fa. Cryotherm hervor, die sich zu einem absoluten Spezialisten für vakuum-superisolierte Behälter entwickelt hat und damit ein Alleinstellungsmerkmal in der Region besitzt. Kunden wie Bayer oder Biontech setzen auf die Produkte von Cryotherm.
Bereits bei der „Nacht der Technik“ erhielt Landrat Dr. Peter Enders einen kleinen Einblick in die Entwicklung und Herstellung der Spezial-Behälter und Leitungssysteme für tiefkalt verflüssigte Gase – was jetzt bei einem Firmenbesuch vertieft werden sollte. „Ich bedauere, dass der Name ,Euteneuen‘ immer nur mit dem Streit um die Wasserkraft und das Sieg-Wehr verbunden wird. Das wird dem Unternehmen und vor allem den Leistungen der Beschäftigten hier nicht gerecht.“ Doch sehr schnell wurde Enders, der mit den beiden Wirtschaftsförderern Lars Kober (Kreis) und Tim Kraft (Verbandsgemeinde Kirchen) nach Euteneuen gekommen war, genau von diesem Thema eingeholt.
„Wir haben große Sorgen, dass die aktuellen Pläne zum Umbau und Schleifen des Wehres unseren gesamten Standort und damit 85 Arbeitsplätze gefährden“, berichtete der geschäftsführende Gesellschafter Peter Siara. Konkret geht es um den Hochwasserschutz. Nach Angaben von Siara sehen die neuesten Pläne der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord vor, die Siegsohle, d.h. den Grund und damit den Wasserspiegel oberhalb der Wehranlage um 30 cm anzuheben, damit der Auwald nicht komplett trockenfällt. Bisher wurden der Auwald und der Damm von Cryotherm bei einem HQ 5 (fünfjährliches Hochwasser) geflutet. Die Planung der SGD Nord sehe eine Flutung bereits bei einem HQ 1 vor. Für den Geschäftsführer entstehen dadurch unkalkulierbare Risiken für sein Unternehmen. Dazu muss man wissen: Die Sieg verlief einst mitten durch das Betriebsgelände, was man heute noch am Grundwasserspiegel erkennt. Schon bei leichtem Hochwasser laufen laut Siara die Keller voll.
„Wir haben uns bislang in diesem Rechtsstreit immer zurückgehalten und uns nie öffentlich geäußert. Aber diese Planung wollen und werden wir so nicht akzeptieren“, stellte Siara klar. Es könne nicht sein, dass die SGD Nord pauschal behaupte, der Hochwasserschutz – auch bei einem HQ 100 – sei gegeben. „Das ist in meinen Augen eine rein theoretische Behauptung.“ Auch die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel, den Standort und die Gebäude seien nicht ausreichend geprüft.
Was den Unternehmer extrem stört, ist die „Unwucht“ in der Bewertung: „Es kann aus Sicht von Cryotherm nicht sein, dass die Belange des Naturschutzes und bestimmter Verbände alles andere wie unbedeutende Interessen aussehen lassen.“ Die SGD Nord und das Land sollten sich noch einmal vor Augen führen, dass dieses Biotop an der Sieg erst durch die Industrie entstanden ist.
Sowohl der Landrat als auch die Wirtschaftsförderer nahmen diese neuen Informationen besorgt zur Kenntnis. „Wir als Kreis sind in dem Verfahren grundsätzlich außen vor, das bleibt auch so. Wenn es aber um heimische Arbeitsplätze geht, werden wir natürlich unsere Stimme erheben“, betonte Enders. So hat der Landrat bereits kurz nach dem Firmenbesuch in Euteneuen das Gespräch mit SGD-Präsident Wolfgang Treis gesucht und die Sorgen des Unternehmens weitergegeben. „Wir werden als Wirtschaftsförderung der Verbandsgemeinde Kirchen im Sinne von Cryotherm ebenfalls die Thematik des Hochwasserschutzes bei den entsprechenden Stellen des Landes platzieren“, so Tim Kraft.
Auch Siara hat sich zwischenzeitlich mit den Spitzen der SGD Nord treffen können. Dabei seien die Schutzinteressen von Cryotherm durchaus anerkannt und verschiedene Lösungsmodelle diskutiert worden. „Es bleibt jetzt abzuwarten, ob wir uns tatsächlich einigen können. Letztlich fordern meine Mitarbeiter und ich als verantwortlicher Unternehmer eigentlich nur, dass sich unsere Hochwasserschutzinteressen nicht noch weiter verschlechtern und mindestens mit den Interessen eines Lachses oder Grasfrosches gleichstellt werden.“
- Foto: Um dem Auwald weiter Wasser zuzuführen (hier ein Bild vor der Absenkung des Wehres) plant die SGD Nord nach Angaben des Unternehmens eine Anhebung der Siegsohle um 30 cm. Fotos: Kreisverwaltung / Thorsten Stahl

Foto: Eigentlich sollte es bei dem Firmenbesuch um die hochspezialisierten Behälter der Fa. Cryotherm gehen, doch dann stand ein anderes Thema im Vordergrund; im Bild v.l.: Lars Kober, Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen, Landrat Dr. Peter Enders, Geschäfsführer Peter Siara, Tim Kraft, Wirtschaftsförderung VG Kirchen, und der stellv. Geschäftsführer Kilian Siara.