„Verantwortung nicht für den Steuerbürger allein“

Personen Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz Simmern - SBK Kammertag 6-2014SIMMERN – SBK-Präsident spricht sich gegen Erweiterung der vorausgefüllten Steuererklärung aus – Wilk: „Verantwortung nicht für den Steuerbürger allein“ –Personen Carsten Kühl, Finanzminister Simmern - SBK Kammertag 6-2014 Beim Kammertag in der Hunsrückhalle in Simmern hat sich der Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz (SBK), Edgar Wilk, gegen eine Erweiterung der jüngst eingeführten vorausgefüllten Steuererklärung hin zur Selbstveranlagung ausgesprochen. Damit reagierte er auf eine entsprechende Initiative der rheinland-pfälzischen Landesregierung auf Bundesebene. Er betonte: „Eine so große Verantwortung kann man den Steuerzahlern nicht zumuten.“

Zur Begründung sagte er: „Auf den ersten Blick führt die Ausweitung des Modells zwar dazu, dass das Ausfüllen der Steuererklärung einfacher wird. Viele Daten sollen schon in den Formularen stehen, die Bürger müssen sie nur noch kontrollieren.“ Das Finanzamt wolle die eingereichten Steuererklärungen nur noch stichprobenartig überprüfen und sich generell auf die Angaben der Bürger verlassen. Komme das erweiterte Modell, liege die alleinige Verantwortung für die Steuerveranlagung bis zum Steuerbescheid beim Steuerbürger. Wilk warnte: „Fehler sind hier vorprogrammiert, Steuerbürger sind schließlich keine Steuerberater.“ Außerdem kritisierte er, dass für fehlerhafte Steuererklärungen härtere Strafen verhängt werden sollen. „Angesichts der komplizierten Steuergesetze ist dies eine völlig unnötige Kriminalisierung der Steuerbürger“, sagte er.

Weiteres wichtiges Thema beim diesjährigen Kammertag war vor dem Hintergrund des demographischen Wandels die Nachwuchsgewinnung und Mitarbeiterakquise. Hier sah Wilk durchaus Zeit für Veränderung – im Hinblick auf die Zukunft der Branche: „Um langfristig fit für die kommenden Jahre zu sein, müssen wir jetzt einige Weichen stellen“, sagte er. Weichen in punkto Ausbildung hat die Kammer in diesem Jahr unter anderem durch die Kooperation mit der FH Kaiserslautern gestellt. Durch die Zusammenarbeit konnte das duale Studium „Bachelor of Arts-Betriebswirtschaft (B.A.-BW)“ optimiert werden. Um gute Mitarbeiter später auch zu halten, appellierte Wilk an die Kanzleien: „Sie müssen sich noch stärker als bisher als gute Ausbilder und Arbeitgeber profilieren. Das bedeutet, sie müssen attraktive Entwicklungsperspektiven und Arbeitsbedingungen auch unter Berücksichtigung der „Work-Life-Balance“ bieten.

Grundsätzlich aber seien die steuerberatenden Berufe nach wie vor sehr attraktiv für Arbeitnehmer und böten exzellente Zukunftsaussichten. „Selbst für das Steuerberaterexamen ist ein Studium nicht unbedingt erforderlich“, betonte Wilk. „Das ist in keinem anderen freien Beruf möglich.“ Auch stünden nach der Ausbildung zum Steuerfachangestellten viele Möglichkeiten zur Fortbildung offen.

Auf dem Kammertag sprach sich der Kammerpräsident darüber hinaus für ein verschlüsseltes Email-System zwischen Steuerberatern und der Finanzverwaltung aus. Er sagte: „Da wir Steuerberater der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegen und die Finanzverwaltung umgekehrt an das Steuergeheimnis gebunden ist, dürfen wir ohne Verschlüsselung keine Daten per Mail austauschen; es geht daher momentan noch alles über den Postweg.“ Das sei nicht zeitgemäß und führe zu unnötigem Mehraufwand. „Deswegen brauchen wir dringend ein verschlüsseltes Mailingsystem, am besten sofort“, betonte er. Als schnell einsetzbare Zwischenlösung für Rheinland-Pfalz, bis ein langfristig geplantes bundesweites Modell eingeführt wird, stellte Wilk ein vom rheinland-pfälzischen Landesbetrieb Daten und Information (LDI) entwickeltes Verfahren vor, das, wie Tests der Kammer gezeigt haben, gut funktioniert.

Während der Kammerpräsident vor einer Erweiterung der vorausgefüllten Steuererklärung gewarnt hatte, sah der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl dagegen viele Vorteile in einer solchen Erweiterung – nicht zuletzt die Möglichkeit, die Finanzämter zu entlasten. Beim Kammertag sagte er: „Angesichts des drohenden Fachkräftemangels sind Erleichterungen bei der Steuererklärung per Mausklick dringend erforderlich.“ Kühl verwies auf Staaten wie die USA, England und zahlreiche andere OECD-Staaten, in denen die Selbstveranlagung bereits erfolgreich umgesetzt sei. „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte“, zitierte Kühl den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Als Voraussetzung nannte er jedoch ein vereinfachtes Steuerrecht sowie verstärkte Hilfestellung beim Ausfüllen der Steuererklärung für die Bürger. Dazu gehöre auch die Beratung durch Steuerberater.

Ebenfalls machte sich Kühl für einen automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland stark. Er sagte: „Was wir in der OECD vereinbart haben, werden wir Schritt für Schritt umsetzen und mit weiteren Staaten verwirklichen.“ Bis dahin sprach er sich für eine Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige aus, „allerdings in verschärfter Form.“ Durch das erfreuliche Zurückdrängen der Steuerflucht könne man künftig auch auf die Abgeltungsteuer verzichten. „So richtig deren Einführung war, so richtig ist nun deren Abschaffung. Stattdessen sollen Kapitaleinkünfte künftig nach dem persönlichen Steuersatz versteuert werden“, forderte Kühl.

Auf das große Thema „Zukunft“ des Kammertages kam gegen Ende der Veranstaltung noch einmal der Managementberater Pero Miæiæ zurück. Unter dem Titel „Wie wir uns täglich die Zukunft versauen: Raus aus der Kurzfrist-Falle!“ prangerte er Entscheidungen an, die zwar kurzfristig Vorteile verschafften, aber langfristig von Nachteil seien. Er sagte: „Die größten Probleme in Wirtschaft, Politik und Umwelt gehen auf kurzsichtige Entscheidungen zurück.“ Gleiches gelte für das Privatleben. „Vieles, was uns im Moment glücklich macht, schadet uns später. Weil wir nicht bereit sind, heute auf Belohnung zu verzichten, verpassen wir große Chancen für unsere Zukunft.“ Im Anschluss zeigte er Wege auf, die Kurzfrist-Falle zu überwinden. Foto: SBK RLP/Kristina Schäfer

Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz (l.), und Carsten Kühl, Finanzminister in Rheinland-Pfalz, beim Kammertag 2014 in Simmern.

Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz (l.), und Carsten Kühl, Finanzminister in Rheinland-Pfalz, beim Kammertag 2014 in Simmern.

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