REGION – Wissenschaftler und Tierarzt widersprechen den „Anti-Wolf-Äußerungen“ von Michael Weiler
REGION – Wissenschaftler und Tierarzt widersprechen den „Anti-Wolf-Äußerungen“ von Michael Weiler. NI fordert: Geltendes Recht und Fakten würdigen – Keinen Hass schüren!
Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) setzt als Natur- und Umweltverband beim Schutz des Wolfes auf geltendes Recht und wissenschaftliche Fakten. Sie hat deshalb mehrfach erfolgreich gegen nicht begründete Abschussgenehmigungen von Wölfen geklagt. Dies bedeutet kein mangelndes Verständnis für die Herausforderung, die die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland für die Weidetierhaltung darstellt.
„Selbstverständlich ist die Entnahme von Wölfen im Rechtsrahmen der FFH-Richtlinie möglich. Allerdings nur dann, wenn sie die nachweislich fachlich erprobten und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfohlenen Schutzmaßnahmen für Weidetiere durch individuelles Lernen systematisch überwinden und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) beachten“, betonte Harry Neumann, Vorsitzender der NI.
Hetze und Stimmung gegen Wölfe stoppen
„Wenn Dr. Michael Weiler mit Horrorszenarien Stimmung gegen Wölfe macht mit dem Ziel, Wölfe regional wieder auszurotten, ist allerdings ein inakzeptables Maß an Hetze gegen den Naturschutz erreicht, so Dr. Wolfgang Epple, Biologe, Verhaltenskundler und Wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative e.V (NI). „Wer behauptet, derzeit verdoppele sich die Wolfspopulation in Deutschland alle zwei Jahre, hat sich als selbsternannter Wolfsexperte fachlich disqualifiziert. Wenn der Tierarzt Dr. Michael Weiler als „Handlungsreisender“ in Sachen Hass gegen Wölfe durch Deutschland reist, wenn solche Falschbehauptungen in den Köpfen besorgter Tierhalter und Politiker verfangen, ist dem Ansehen Deutschlands, was den europäischen Natur- und Artenschutz betrifft, nicht gedient.“
Falsche Wolfzahlen des Referenten
Im Gegensatz zur Behauptung des Referenten auf einer Veranstaltung in Hachenburg zeige die durch das Monitoring des BfN erfasste Bestandentwicklung der Wölfe schon jetzt eine klare Abflachung: 2022/2023: 1.339 Individuen, 2023/2024: 1.601 Individuen. „Es gibt einen Anstieg von Wolfsterritorien von nur noch ca. 3,5 % gegenüber dem Vorjahr. Die Dynamik der Wolfspopulation in Deutschland ist Gegenstand wissenschaftlicher Beforschung, und es gibt keinen Grund, aufgrund der von Fachleuten selbstverständlich eingeräumten Unsicherheiten zur exakten Ermittlung eines Gesamtbestandes auf nicht seriöse Erhebungen zu schließen. Das Horrorszenario des Dr. Weiler findet nicht statt. Er betreibt reine Stimmungsmache“, so Dr. Epple weiter.
Weidetierhaltung ist auch mit Wölfen möglich
Dr. Epple, Biologe und Verhaltenskundler, der selbst jahrzehntelang Wolfsgebiete in Spanien, auf dem Balkan und Italien bereist und Verhaltensbeobachtungen aus nächster Nähe mit einem europäischen Wolf gesammelt hat, zum Verhältnis Wolf-Mensch: „Es geht nicht um die Naivität eines friedlichen Zusammenlebens mit dem Wolf. Es geht um eine realistische Herangehensweise. Es geht um moralisch angemessenen Umgang mit einem höchst sozial organisierten und klugen Wildtier. Der Wolf ist ökologisch wirksamer Spitzen-Prädator, dessen Existenzrecht auf vielfältige Weise auch im dicht besiedelten Deutschland fachlich und ethisch zu begründen ist. Der Schutz des Wolfes geht nicht zu Lasten anderer Naturschutzziele, wie immer wieder behauptet wird. Weidetierhaltung ist auch bei Präsenz von Wölfen möglich, wie uns andere Länder, etwa Spanien, Italien oder die Länder des ehemaligen Jugoslawien seit Jahrhunderten vormachen.“
Einsatz von Herdenschutzhunden
„In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass Schutzmaßnahmen zur Effizienzsteigerung weiter kombiniert werden müssen. Der Einsatz von Herdenschutzhunden muss hierbei auch im Sinne einer Förderung in den Vordergrund rücken, da diese die Weidetiere – nicht nur passiv wie eine Umzäunung – sondern aktiv schützen. Eine angemessene und gleichzeitig für das Dasein des Wolfes offene Herangehensweise ist somit erforderlich, um sowohl landwirtschaftliche wie auch naturschutzfachliche Aspekte miteinander zu integrieren“, betonte Konstantin Müller, Tierarzt und Dipl.-Biologe.
Das Bundesamt für Naturschutz weise zurecht anlässlich des weiter gestiegenen Wolfsbestandes auf die nötige Differenziertheit hin, betont die NI.
Ausgesuchte Fakten:
Seit der Wiederkehr des Wolfes ist in 26 Jahren kein einziger Fall von unprovoziertem aggressivem Verhalten gegen Menschen aufgetreten.
Dass Wölfe in Sichtweite von Menschen auftauchen können, nachts durch Siedlungen laufen, und bei Begegnungen nicht immer flüchten, ist literaturkundig und Wolfsexperten aus dem gesamten Verbreitungsgebiet geläufig.
Geringe Scheu ist gerade für Einzelwölfe nicht ungewöhnlich. Als „Pioniere“ – meist Jungwölfe – der Neubesiedlung eines Gebietes erweisen sie sich häufig mutig.
Werden Rudelstrukturen zerschossen, insbesondere Alttiere getötet, sind die Verbleibenden nicht in der Lage, die großen Territorien zu verteidigen. Die Folge kann sogar eine Zunahme durch neue einwandernde Wölfe sein. Ebenso kann mangelnder Jagderfolg durch Fehlen erfahrener Altwölfe zu vermehrten Übergriffen auf schlecht geschützte Weidetiere, besonders auf Schafe und Ziegen führen.
Die geforderte „Entnahme“, also das Töten ganzer Rudel führt zur Steigerung der Wolfsdynamik in der beschriebenen Weise.
Wird das Töten ganzer Rudel vermehrt betrieben, bedeutet es den Beginn der (zunächst regionalen) Wieder-Ausrottung des Wolfes.
Der Zoologe Dr. Frank G. Wörner teilt der Naturschutzinitiative über Stil und Inhalt des Vortrages in Hachenburg sein Entsetzen mit: „Das zweifellos vorhandene Spannungsfeld zwischen Weidetierhaltern und dem Wolf lässt sich nicht lösen, indem man auf einer – nach eigenem Bekunden – hauptsächlich an Weidetierhalter und Jägerschaft adressierten Veranstaltung des BWV Rheinland-Nassau, reihenweise von Wölfen getötete und zerfetzte Weidetiere zeigt. Dies goss nur noch mehr Öl ins Feuer, war Panikmache auf niedrigstem Niveau und gehört nicht auf eine Veranstaltung, die sachlich informieren sollte.“
Referent verbreitet triviale Horrorgeschichten
„Weiterhin wurden vom Referenten angebliche Fakten über den Wolf verbreitet, die durch seriöse wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt sind. Insbesondere gehören derartige Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Wolfsbestandes in Deutschland und die damit verbundenen Gefahren in den Bereich trivialer Horrorgeschichten.“
„Die Jägerschaft hat – entgegen lautstarkem Getöse einiger ihrer traditionellen Vertreter – nicht unter dem Wolf zu leiden. Wölfe können unter dem nebulösen Aspekt der Waidgerechtigkeit nicht bejagt werden. Bejagung im eigentlichen Sinne ist nicht möglich – Ausrottung schon! Eine Aufnahme in das Jagdrecht ist ebenfalls keine Lösung; eine berechtigte und legale „Entnahme“ eines Wolfes ist nicht Bestandteil der Jagd, sondern unterliegt dem Bundesnaturschutzgesetz und der FFH-Richtlinie. Sie ist auch heute schon ohne obligatorische Einbindung und ohne Zuhilfenahme klassischer jagdlicher Einsätze möglich,“ so Dr. Wörner.
Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) weist darauf hin, dass das geltende Artenschutzrecht alle Möglichkeiten eines angemessenen Umgangs mit auf Weide- oder Haustiere spezialisierten Wölfen bietet, gerade dann, wenn diese gelernt haben, einschlägig wirksame Schutzmaßnahmen zu überwinden.
Wölfe gefährden nicht die Weidetierhaltung
„Wölfe gefährden nicht die Weidetierhaltung. Seit tausenden Jahren ist eine Koexistenz möglich – und nötig. Dass kurzzeitige Fehlen der Wölfe war unnatürlich und der eigentliche Schaden, nicht dessen sanfte Rückkehr. Spannungen sind möglich, aber Herdenschutz (den wir für zentral halten), der ohnehin sein muss, vermindert Risiken. Herdenschutz ist vielfach erprobt, gegenteilige Behauptungen der Nichtmachbarkeit sind falsch, es gibt immer Lösungen. Wer Tiere hält, muss diese nach dem Tierschutzgesetz auch vor Naturgefahren schützen, vor Blitz, Donner, Viren und Wolf.
Eine Weidetierhaltung, die sich als naturnah bezeichnen will, aber gegen Wölfe ist, ist nicht naturnah. Wölfe gehören zur Kulturlandschaft und haben eine Schlüsselfunktion – ähnlich wie die Weidehaltung, und beides geht zusammen. Das Abschießen jedoch führt zu keinem Erfolg“, betont der Ökologe Dr. Michael Altmoos, Wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative (NI).
Rechtslage und FFH-Richtlinie beachten
„Die Hürden für Ausnahmen vom Schutz durch die auch in Deutschland anzuwendende Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sind vom Europäischen Gerichtshof bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt bestätigt worden. Die Schutzvorschriften der FFH-RL zielen sehr wohl auf den Schutz von Individuen. Zur wichtigsten Einschränkung zählt, dass vor dem Töten eines Wolfes nach Artikel 16 der Richtlinie alle anderen zufriedenstellenden Lösungen geprüft sind, und wenn es an anderweitigen Alternativen zur Ausnahme vom Schutz fehlt“, betont Dr. Epple.
„Solange noch nicht einmal die Mindeststandards der Betreuung und des Schutzes von Weidetieren eingehalten werden und tatsächliche Herdenschutzmaßnahmen nicht einheitlich dokumentiert sind, die bei einem nachgewiesenen Wolfsriss geherrscht haben, sind die durchsichtigen Versuche, in Deutschland mit einer neuen Ausrottung der Wölfe zu starten, schon aus rechtstaatlichen Gründen zum Scheitern verurteilt. Mangelhaft geschützte Weidetiere werden auch dann zur leichten Beute von Wölfen, wenn der Status des Schutzes auf Betreiben von Landwirten und Jägern auf europäischer Ebene innerhalb der FFH-RL geändert werden sollte“, so die NI abschließend. Einen Freifahrtschein für das Ausrotten der Wölfe könne kein Gesetzgeber in Europa erteilen. Foto: Markus Dübbert, Wolf im Westerwald