NEUWIED – Tauschschrank in Neuwied am Pfarrhaus der Heilig Kreuz Pfarrei findet großen Anklang
NEUWIED – Tauschschrank in Neuwied am Pfarrhaus der Heilig Kreuz Pfarrei findet großen Anklang
Die Pfarrei Heilig Kreuz in der Neuwieder Vorstadt ist eine offene Gemeinde, die sich mit der abgesagten Bistums Reform arrangiert hat. Hier ist vieles anders, genauso wie der Hausherr im Pfarrhaus. Eigentlich wäre Oliver Seis nach seiner Zeit als Kaplan, wie in früheren Zeiten üblich, nun Pfarrer mit einer eigenen Pfarrei geworden. Der Titel Kaplan Seis steht auch immer noch auf dem Klingelschild. Oliver Seis bezeichnet sich selbst aber als Dechanten Kooperator oder nur Priester. Er hat sich nicht versetzen lassen, wie sonst in der Katholischen Kirche üblich. Er ist zumindest mit einer halben Stelle dort geblieben, wo er in vier Jahren vieles verändert hat.
Als der Vatikan die Umsetzung der Trierer Bistumssynode „XL-Pfarrei“ – gestoppt hat, gingen hier die Gläubigen den neuen Weg inhaltlich unbeirrt fort. Angeführt von einem Koordinationsteam mit Dorothee Bruchof, Tina Monzen, Josef Freise und Priester Oliver Seis, bauten sie Stück für Stück die „Offene Gemeinde Heilig Kreuz“ auf. Die will weg von Dogmen und einer allzu straffen Ausrichtung auf den Pfarrer, stattdessen vielfältig und nah an den Menschen sein. Sie will Raum für Eigeninitiative geben – auch Menschen, die mit der katholischen Kirche wenig bis nichts am Hut haben. Alle sind eingeladen.
Die Wiese vor dem Pfarrhaus und der Garten gegenüber wurde zum Treffpunkt von Hobbygärtnern vieler Nationen. Nachdem die Messdiener aus Paletten Hochbeete gezimmert und Pflanzerde angekarrt hatten, konnte die Pflanzaktion mit Petersilie über Bohnenkraut, Tomaten, Paprika, Erdbeeren und Sonnenblumen beginnen. Jeder der will, kann pflanzen, ernten oder auch nur auf der Bank in der Sonne sitzen und sich an der etwas wilden Naturoase mitten im Viertel freuen.
Fast gleichzeitig entstand auch die Idee zum Tauschschrank. Alles was daheim nicht mehr gebraucht wird, von Kaffeetassen über den Winterpullover, dem Lautsprecher bis hin zur Stehlampe und dem Schulranzen findet hier schnell Abnehmer. In der Woche kommen die Kunden der benachbarten Tafel hier vorbei. Am Sonntag bringen viele Kirchbesucher das ein oder andere Teil mit. Es macht Freude, wenn die Sachen ein zweites Leben bekommen, berichtet eine ältere Dame, die ihre fast ungetragene Lederjacke hier aufhängt. Kurze Zeit später kommt eine junge Mutter, die sich einen Schulranzen für ihre Tochter mitnehmen will und für die, die Jacke wie gemacht scheint. Fünf Teile darf jeder mitnehmen.
Am Sonntagmorgen ist der Schrank gut gefüllt. Nicht alles ist hochwertig, aber vieles noch brauchbar. Manches wäre ohne den Tauschschrank vielleicht in der grauen Tonne gelandet. Der ausrangierte Metallschrank hat ein bisschen Flohmarktflair. Der Besuch hier, ist für die alleinerziehende Mutter aus der Innenstadt ein sonntägliches Ritual geworden. Von den fünf Sachen, die sie hätte mitnehmen dürfen, hat sie nur eine warme Winterjacke und einen fahrbaren Rucksack mitgenommen. Dinge, die sie gut gebrauchen kann. Der Sonntagspaziergang hat sich gelohnt.
Vielleicht findet sie ja nächste Woche ein paar Winterstiefel Größe 35 oder 39. Sie wird wieder kommen, genau wie die türkische Großmutter, die das Unkraut im Hochbeet jätet und sich ein paar Suppenkräuter abschneidet. Im Tauschschrank hat sie auch noch ein Schneidebrett aus Holz gefunden. Das Brett bekommt jetzt ein zweites Leben, wie viele andere Dinge, die seit der Tauschschrank dort gegenüber der Kirche steht, eine neue sinnvolle Verwendung bekommen haben. (mabe) Fotos: Marlies Becker