NEUWIED – Hilfe bei Corona-Verdacht am Wochenende – eine Odyssee –
NEUWIED – Hilfe bei Corona-Verdacht am Wochenende – eine Odyssee – Gerade erst hatte für Jonas wieder die Schule begonnen und seine Fußballmannschaft durfte wieder trainieren. Es hätte alles am Samstagnachmittag so schön sein können, wenn sich nicht plötzlich Halsschmerzen, Husten bei ihm eingestellt hatten. Ausgerechnet am Vorabend zu seinem Geburtstag schmeckte ihm das Abendessen nicht und er verzog sich in sein Kinderzimmer im Untergeschoss.
Als Mutter Stefanie P. nach ihm sah, traf sie ein Häufchen Elend an, dass Fieber zu haben schien. Hatte Jonas morgens nur über Kopfweh geklagt, hatten sich jetzt noch starker Husten und eine Triefnase dazu gesellt. Als der Rest der Familie ihm um Mitternacht zu seinem 14. Geburtstag gratulieren wollte, blieb das Fieberthermometer kurz vor 39 stehen. Mutter Stefanie entschloss sich, ihm Grippostad aus der Hausapotheke zu verabreichen. Scheinbar ohne Erfolg, denn das Fieber kletterte weiter.
Mitten in der Nacht blieb der besorgten Mutter nichts anders übrig als die Notfall Nummer 116117 zu wählen. Fernmündlich war da in Pandemiezeiten keine Diagnose zu erwarten. Lediglich der Hinweis auf die Fieberambulanzen des Kreis Neuwied. Die aber sind am Wochenende nicht besetzt. Wie fühlt es sich für eine besorgte Mutter an, wenn sich von Stunde zu Stunde der Zustand ihres Kindes verschlechtert.?
Die Bilder von Corona-Infizierten aus Krankenhäusern, den Horrornachrichten aus Italien und Spanien, in den vergangenen Monaten haben sich im Kopf eingebrannt und machen die Sorgen noch größer. Als Jonas dazu noch Atemprobleme bekommt, entschließt sich die fürsorgliche Mutter kurz nach Mitternacht die 112 anzurufen. Bei der Rettungsleitstelle in Montabaur hatte man auch nur den Rat, man möge sich an die zentrale Notrufnummer der Fieberambulanz (0800/9900400), wenden, die aber laut Anrufbeantworter erst wieder Montag erreichbar wäre. Es musste was geschehen. Der nächste Versuch kurz vor 01.00 Uhr in der Nacht war erfolgreicher.
Bei der Notfall Ambulanz im Neuwieder Elisabeth Krankenhaus erreichte die verzweifelte Mutter, nach dreimaligem Weiterverbinden, endlich eine Ärztin, die nach den Schilderungen riet, dem verabreichten Medikament noch eine Stunde Zeit zum Wirken zu geben.
Da sich aber der Zustand des Schülers drastisch verschlechterte (er war nicht mehr in der Lage alleine zu laufen), forderte die besorgte Mutter um 01.00 Uhr über den Notruf 112 bei der Leitstelle einen Krankenwagen an.
In der Zwischenzeit saß Stefanie P. mit Jonas auf der Kante des Bettes und musste ihn beim Sitzen stützen.
Inzwischen hatte der Junge Probleme mit der Atmung (Kurzatmigkeit, Hyperventilation), sodass die Mutter ihn ständig zu ruhigem Atmen aufforderte, außerdem drohte er ohnmächtig zu werden.
Nachdem der Krankenwagen nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch nicht eingetroffen war, rief die Mutter erneut die 112 an, die ihr mitteilte, dass der Krankenwagen mittlerweile im drei Kilometer entfernten Anhausen wäre. Nach weiteren, endlos erscheinenden zehn Minuten traf der Krankenwagen endlich in Rüscheid ein.
Nach kurzer Begutachtung des Kindes (das nicht mehr seinen Namen aussprechen konnte), entschieden die Rettungssanitäter ihn zum Krankenwagen zu tragen und ihn ins Neuwieder Elisabeth-Krankenhaus zu bringen. Nach der Ankunft in Neuwied um 02.15 Uhr, warteten Mutter und Kind in einem Untersuchungszimmer circa 15 Minuten auf einen Arzt.
Inzwischen war Jonas wieder ansprechbar, die Körpertemperatur möglicherweise gesunken und er klagte darüber, dass er friert. Nachdem die Mutter der Ärztin geschildert hatte, was vorgefallen war, leuchtete sie nur in seinen Hals und seine Ohren und sagte: „Da haste aber einen heftigen Infekt.“
Auf die Frage nach einer möglichen Corona-Infektion, lies sie wissen: „Es gebe ja auch noch andere Viren.“
Zum Wunsch nach einem entsprechenden Test, war die Aussage, man könnte ambulant keinen Test machen und für eine stationäre Aufnahme bestehe keine Veranlassung. Man solle sich gegebenenfalls am Montag an eine zuständige Fieberambulanz wenden.
Um 03.00 Uhr war die Familie wieder auf dem Weg zu den heimischen Westerwaldhöhen. Handelt es sich nun bei der Krankheit um eine Corona-Infektion oder eine Sommergrippe? Das hatte der nächtliche Ausflug nach Neuwied nicht klären können. Die Sorgen und die Unsicherheit blieben auch den ganzen Sonntag über.
Nach Überlegung, keinen gefährden zu wollen, entscheidet sich die berufstätige Mutter, ihren Arbeitgeber, sowie die Schulen zu informieren. Dieses wurde, so konnte sie feststellen, von allen sehr positiv empfunden! Inzwischen war es Montag geworden und auf der Kreisverwaltung sollte es eigentlich sachkundige Ansprechpartner geben. Allerdings hat die Corona-Hotline der Kreisverwaltung Neuwied auch am Montagmorgen lediglich eine Bandansage.
Auf der Webseite der Kreisverwaltung findet man eine Liste von sogenannten Corona-Ambulanzen, an die man sich wenden könne. Diese wurde in der heißen Phase der Pandemie erstellt. Inzwischen hatte der Kreis viele Wochen lang keinen einzigen Infizierten und manche Dinge schienen sich erledigt zu haben. Was sich ja, bei wieder steigenden Fallzahlen im Land, inzwischen als Fehleinschätzung herausgestellt hat. Zwar hatte der Landrat nie aufgehört die Bürger zu ermahnen, vorsichtig zu sein und darauf hinzuweisen, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei. Aber wegen fehlender Patienten waren die Aktivitäten der Anlaufstationen in den vergangenen Wochen teilweise runtergefahren worden.
Deshalb war vielleicht auch der Anruf bei der obersten Nummer auf der Liste ernüchternd. Die freundliche Frau am anderen Ende der Leitung meinte: „Keine Ahnung, warum wir noch auf der Liste stehen!“. Auch der Anruf bei der nächsten Adresse, war nicht wirklich erfolgreich. Nach Abfrage der Daten und einem erfolgten Rückruf hieß es: „Da können wir Ihnen nicht weiterhelfen, kontaktieren Sie die Fieberambulanz“.
Jetzt schien nur noch der Hausarzt helfen zu können. Der Allgemeinmediziner war zwar auch nicht in der Lage einen Test zu machen, hatte aber zumindest zwei Telefonnummern von Kollegen, wo der kostenlose Test möglich wäre. Bei einer Praxis im benachbarten Westerwaldkreis gab es dann zügig einen Termin. Das Ergebnis nach zwei Tagen war dann zum Glück negativ. Entwarnung für Büro, Schule und Verein. Auch die Quarantäne für Mutter und Bruder konnte aufgehoben werden. Inzwischen geht es dem kranken Jonas besser, aber die Schniefnase haben auch die anderen Familienmitglieder. Die sind allerdings froh, dass sich noch alles zum Guten entwickelt hat. (mabe)