GEBHARDSHAIN – BI Hümmerich im Wechselbad der Gefühle: Über 150 Einsprüche

GEBHARDSHAIN – BI Hümmerich im Wechselbad der Gefühle: Über 150 Einsprüche – und doch gibt‘s nochmal eine Fristverlängerung – Projektierer kann Ausnahme von bestehenden Verboten beantragen

Die BI Hümmerich, die sich gegen den Bau von über 200 Meter hohen Windrädern auf der gleichnamigen Erhebung zwischen Gebhardshain und Mittelhof wehrt, erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle: Einerseits die breite Unterstützung von Bürgern und Institutionen, die im öffentlichen Verfahren Widerspruch eingelegt haben, andererseits das in ihren Augen unverständliche Einvernehmen der Stadt Wissen mit dem geplanten Projekt. Und dann noch die Nachforderung von Unterlagen bei dem Projektierer seitens der Kreisverwaltung und die daraus resultierende erneute Offenlage mit entsprechender neuer Einspruchsfrist.

Zirka 150 Einwendungen gegen die Windräder auf dem Hümmerich sind bis zum Ende der Einspruchsfrist am 13.09.2021 bei der Kreisverwaltung Altenkirchen eingegangen, erfuhr die BI von dort. „Das ist schon allein von der Anzahl her ein super Ergebnis“, so ihr Sprecher, Dieter Glöckner. „Und von dem, was wir von einigen der Einsprüche wissen, handelt es sich großen Teils um gravierende Argumente, zumal es sich bei den Einspruchsführern nicht nur um zahlreiche engagierte und betroffene Bürger handelt, sondern auch um Kommunen und anerkannte Naturschutzverbände.“

Diese Einwände hätten eigentlich in öffentlicher Sitzung am 26. Oktober in Altenkirchen behandelt werden sollen.

Doch aufgrund der bisher offengelegten Informationen zeigten sich laut Kreisverwaltung erneut erhebliche Defizite in den Antragsunterlagen bzw. bei den geplanten Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und -vermeidung. So sei die mit dem Projekt verbundene Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets mehr als erheblich, weshalb das Vorhaben unzulässig sei und nur weiterbetrieben werden könne, wenn der Antragssteller ergänzend beantragt, von den gesetzlichen Vorgaben abweichen zu dürfen. Ähnliches gilt für die Beeinträchtigungen des Landschaftsschutzgebiets. Sie sind so schwerwiegend, dass eine Genehmigung der Windräder nur mit Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung erteilt werden darf. Ein Antrag dazu fehlte in den bisher eingereichten Unterlagen, ebenso wie Angaben zum Risikomanagement und zum Ausgleich bzgl. Vermeidung der Inanspruchnahme von Quartierbäumen und wertvollen Waldbeständen.

Um die fehlenden Unterlagen einzureichen, hat die Kreisverwaltung eine Frist bis zum 22.11.2021 eingeräumt, damit der Antrag abschließend geprüft werden kann. Daraufhin wird es eine Offenlage dieser Unterlagen geben – erneut mit der Möglichkeit, Einspruch zu erheben, allerdings dann nur noch gegen die nachgelieferten Antragsunterlagen.

Dass der Stadtrat von Wissen jedoch sein Einvernehmen mit dem Bau der Windräder erklärt hat, obwohl er in Kenntnis der o.g. erheblichen Umweltbeeinträchtigungen war, entsetzt die BI: „Genau das hatte die Stadt laut BauGB zu prüfen und dazu hatte sie von der übergeordneten Behörde, dem Kreis, ausführliche Informationen erhalten. Dann zu dem gegenteiligen Ergebnis zu kommen, ist schon abenteuerlich“, so Dieter Glöckner, der der Stadtratssitzung beiwohnte. „Dort ist keine sachlich fachliche Entscheidung getroffen worden, sondern eine politisch motivierte“, so sein Fazit, auch, da ja letztlich nicht entsprechend der Aufgabe der Stadt gemäß § 36 BauGB entschieden worden sei, sondern über einen Antrag der Grünen.

Hätte da nicht die Verwaltung eine entsprechende Beschlussvorlage unterbreiten oder gar als Auftragsangelegenheit selbst darüber entscheiden müssen? Wegen der vielen offenen Fragen hat die BI erneut ihren auf öffentliches Baurecht spezialisierten Anwalt Armin Brauns zu Rate gezogen. Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd: Grundsätzlich ist der Stadtrat für die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen zuständig. Er ist bei seiner Entscheidung im Rahmen seiner Möglichkeiten verpflichtet, entgegenstehende Belange bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Verwaltung setzt nur um, muss allerdings den Stadtrat ausreichend informieren. Davon, dass dies geschehen ist, sollte man eigentlich ausgehen können, nachdem sich der Stadtrat sowohl die Argumente des Antragstellers als auch der BI Hümmerich angehört hat bzw. vorgelegt bekommen hat.

Danach hätte klar sein sollen, dass das Einvernehmen wegen der erheblichen Umweltbeeinträchtigungen nicht hätte erteilt werden dürfen. Denn dies und nicht die politische Fragestellung, wie die Energieversorgung Deutschlands in Zukunft aussehen wird, war Gegenstand des Prüfungsauftrags. „Dass der Stadtrat politisch motiviert, anders entschieden hat, und sich damit gegen Menschen, Natur und Landschaft in seinem Stadtgebiet entschieden hat, ist die eine Seite. Irritierend aber ist, dass der Bürgermeister als Chef der Verwaltung seine eigene Stimmte nutzt, um für das Einvernehmen zu stimmen, obwohl er ja den Stadtrat über die offenkundigen Umweltverstöße durch die geplanten Windräder informiert hat“, so die BI Hümmerich.

Wie dem auch sei: Klar definiert und auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt ist, dass eine Entscheidung der Gemeinde über das gemeindliche Einvernehmen rechtlich nicht angreifbar ist. Genauso ist aber die Genehmigungsbehörde nicht verpflichtet, eine Genehmigung zu erlassen, wenn das gemeindliche Einvernehmen erteilt wird. Das erteilen des gemeindlichen Einvernehmens als solches hat also keinen Einfluss auf die Entscheidung der Genehmigungsbehörde.

Offen bleibt nur, ob die Aufsichtsbehörde im Rahmen der Kommunalaufsicht erneut einschreiten kann, sollten Verstöße dies rechtfertigen.

Foto: Der Hümmerich zwischen Gebhardshain und Mittelhof – hier ein Archivbild – ist Vogelschutz- und Landschaftsschutzgebiet. Dagegen, dass dort Windräder errichtet werden, liegen der Kreisverwaltung in Altenkirchen etwa 150 Einsprüche von Bürgern, Institutionen und anerkannten Naturschutzverbänden vor. Jetzt steht dem Projektierer auch noch die Möglichkeit offen, sich von rechtlichen Verboten befreien zu lassen.

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