Fachkräftemangel im ländlichen Raum bringt Probleme für Handwerk und Industrie
REGION – Fachkräftemangel im ländlichen Raum bringt Probleme für Handwerk und Industrie – Während im Kreis Altenkirchen im vergangenen Jahr die Bevölkerung geschrumpft ist, konnte im 50 Kilometer entfernten Koblenz, der Oberbürgermeister Joachim Hofmann-
Göttig freudig berichten, dass die Anzahl der Menschen in der Stadt sich um 1.000 erhöht hat. Was zieht also die Menschen in die Stadt. In Koblenz sicher Kultur, Einkaufs- und Arbeitsmöglichkeiten, die hier in der Region nicht ganz so üppig sind. In der 700 Seelengemeinde Oberlahr gibt es zwar an die 500 Arbeitsplätze, aber auch der größte Arbeitgeber des Ortes beklagte kürzlich bei einem Besuch des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck über Fachkräftemangel. Treif Firmenchef Reifenhäuser unternimmt seit Jahren alles, um dem entgegenzuwirken. Mehr als 30 Auszubildende beschäftigt das weltweit bekannte Familienunternehmen in Oberlahr. Viele der heute beschäftigten Maschinenbauer, Elektriker und Schlosser haben auch schon in dem Oberlahrer Vorzeigeunternehmen gelernt. Bei der Fachkräftesuche hat der Standort Oberlahr schlechte Karten, lies der Firmenchef verlauten. Neue Mitarbeiter nehmen lieber weite Wege in Kauf, als sich hier anzusiedeln. Der Wohnungslehrstand im Ort spricht da eine deutliche Sprache. Oberlahr ist zwar ein hübscher Ort mit Schule und Kindergarten, Kirche und Pastor, aber wenn am Wochenende wegen einer geplatzten Ader dringend ein Augenarzt gesucht wird, muss man über 50 Kilometer nach Koblenz, Siegen oder Bonn reisen.
Meist sind es die Partnerinnen der Fachkräfte, so Reifenhäuser, die die Westerwälder Idylle nicht mit den Bequemlichkeiten in der Stadt tauschen wollen. Junge Menschen, die hier geboren sind und ihr familiäres Umfeld und die Freunde hier vor Ort haben, bleiben dagegen öfter. Das zeigt die steigende Zahl junger Familien, die in den letzten Jahren hier neu gebaut haben. Während bei Treif in Oberlahr die Zahl der Beschäftigten ständig steigt und nun ein Ausbau der Betriebsgebäude ansteht, wird’s andernorts leerer. Das Handwerk sucht händeringend Fachkräfte, so der Kreishandwerksmeister und der Präsident der Handwerkskammer Koblenz.
Mancher Auftrag kann nicht ausgeführt werden und viele Geschäfte nicht gemacht werden, weil ältere Klempner, Dachdecker, Schreiner und Schlosser in Rente gehen und die Lehrstellen unbesetzt bleiben. Das kann viele Gründe haben. Kleine Betriebe vor Ort bilden nicht aus und Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen in Städten sind ohne Führerschein und Auto oft unerreichbar. Dazu kommt noch, das manch junger Mensch heute lieber studieren geht und wieder andere zwar gerne Mechatroniker werden möchten, aber die Schulqualifikation nicht ausreicht um auch das Ziel einer bestandenen Gesellenprüfung zu erreichen. In den nächsten Jahren wird vieles im Wandel sein und auch manch kleinerer Betrieb geschlossen werden, weil kein Nachfolger in Sicht ist. Die Horrorvorstellung, dass man vier Wochen auf die Reparatur vom defektem Dach oder der defekten Heizung warten muss, machen schon jetzt die Runde. Wünschenswert wären einheimische Betriebe, die die Mühe auf sich nähmen auch junge Menschen mit weniger guten Schulnoten auszubilden. Das macht zwar mehr Arbeit, würde aber letztlich helfen dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das Märchen, das Fachkräfte aus der Stadt aufs Land ziehen, wird wohl kaum Realität werden, selbst wenn die Wanderwege vor der Haustür liegen und der Schulbus zum Gymnasium an der Ecke hält.
Besser wäre, wie Uwe Reifenhäuser in Oberlahr es mit Erfolg praktiziert, junge Leute aus der Region mit guter Ausbildung und guten Aufstiegschancen am Standort zu binden. Das stärkt letztlich nicht nur die Region, sondern auch im Hinblick auf die immer älter werdende Gesellschaft das Zusammenleben in der Ortsgemeinde. Möglicherweise bleibt dann auch eine lebendige Vereinskultur und nachbarliche Hilfeleistungen, die gerade auf Dörfern ohne Einkaufsmöglichkeiten immer wichtiger werden. (mabe) Fotos: Becker