„Es kann doch nicht angehen, dass wir jetzt neben den Tafeln auch noch Wärmestuben einrichten müssen“.
Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Referentin bei der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen mit dem Schwerpunktthema „Armutsbekämpfung“, forderte angesichts der Sparpläne der Bundesregierung auch von der Kirche neben der lokalen Hilfe vor Ort auch massives politisches Eingreifen ein. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es gilt, sich mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zu verbünden, ‚aufzustehen’ und laut zu sagen: So kann es nicht weitergehen!“ Aus der Synode heraus, die sich u.a. in Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichsten Aspekten von Armut beschäftigte, kam das Votum, eine gemeinsame Erklärung abzugeben, die deutlich unterstreicht, dass man das Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung „Die Grundpfeiler unser Zukunft stärken“ mit großer Sorge betrachte. „Dadurch wird die Zukunft unseres Landes nicht gestärkt, sondern unsere Gesellschaft weiter gespalten“, heißt es in der Erklärung, die einstimmig von den Abgesandten der 16 Kirchengemeinden und den Kirchenkreis-Vertretern verabschiedet wurde. Eine Erklärung zur Spardebatte, die der Evangelische Kirchenkreis Solingen jüngst erarbeitet hatte, machte sich die Altenkirchener Synodalen zu Eigen. Dabei unterstrich Volker Hergenhan, Synodaler aus Friedewald, bei der synodalen Diskussion in der Oberwambacher Kirche, dass man die beiden Aktionsfelder „Lokal handeln und kirchenpolitisch aktiv werden“ unbedingt verbinden wolle. „Die Synode sieht, dass durch das vorgeschlagene Konsolidierungsprogramm die materielle Ungleichheit in Deutschland weiter wachsen wird“, heißt es in der Erklärung. Zwar wisse man um die Notwendigkeit des Sparens, aber durch das vorgeschlagene Maßnahmenpaket werde die Zukunft des Landes nicht gestärkt,sondern die Gesellschaft weiter gespalten, wurde kritisiert. Als Kirche wisse man um die schon heute gravierenden negativen Folgen von Armut insbesondere für Kinder und deren Familien. „Wir befürchten, dass die Sparvorschläge bei den Sozialleistungen die oft bedrückenden Lebenssituationen armer Kinder und Erwachsener weiter erschweren und sie von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben noch mehr ausschließen werden. Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass von finanziell gut und sehr gut gestellten Menschen keine hinreichenden Beiträge zur Konsolidierung der Staatsfinanzen gefordert werden. Die Bibel nimmt aber gerade die reichen Menschen in die Pflicht, wenn es darum geht eine ausreichende Teilhabe für alle zu gewährleisten“, wird in der Erklärung formuliert. Dem Beschluss, die Erklärung zu verabschieden, waren ein einführendes Referat der „Armutsexpertin“ Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe und intensive Diskussionen in sieben Arbeitsgruppen vorangegangen. Meier-Gräwe nahm die Synode und ihre Gäste – darunter auch Sozialamtsleiter Bodo Nöchel (Kreisverwaltung Altenkirchen), ARGE- Geschäftsführer Heiner Kölzer und Ortsbürgermeister Achim Ramseger (Oberwambach) – mit hinein in die verschiedenen Aspekten der Armutsursachen. „ Das Ausgegrenztsein ist häufig schlimmer als das fehlende Geld“ unterstrich die Referentin, die auch die aktuell veröffentlichte Studie zur „Entwicklung der Mittelschicht“ bereits in ihren Vortrag aufgenommen hatte: „Die Mittelschicht hat zunehmend Probleme, weil es ungemein stresst, die ‚Statussicherheit’ zu betreiben“.
Meier-Gräwe plädierte leidenschaftlich für ‚Gemischte Lerngruppen’ – „wichtig für die Gesamtgesellschaft“; sezierte das „Paarungsverhalten“: „Der Beziehungs- und Heiratsmarkt erweist sich in Deutschland zunehmend als eine Institution, die soziale Ungleichheit verstärkt“; und forderte eine Politik ein, die sich stärker um die Kinder kümmern müsse, die schon da sind: „Fördert diese Kinder, damit sie mal unser Land übernehmen können !“ Die Lebensqualität aller Menschen gilt für Meier-Gräwe als verbesserunsgwürdig, gerade auch mit Blick auf die demographische Entwicklung. Die Kirchen, so die Referentin an „ihr Publikum“, hätte gerade auch mit Blick auf Frauen und ältere Menschen noch Handlungsspielräume. Die Wissenschaftlerin begab sich nach ihrem mit großem Beifall bedachten Einführungsreferat in verschiedene Arbeitsgruppen der Synode und lobte die dort wahrgenommene „ernsthafte Suche nach Wegen, die konkrete Armutsbekämpfung zu betreiben“. Sie habe viele gute Beispiele der lokalen Armutsbekämpfung in Kirche und Diakonie im Kreis Altenkirchen wahrgenommen, hob sie hervor; sie forderte die Kirchenvertreter aber auch auf, die Ressourcen vor Ort noch stärker und zukunftsorientierter auszubauen. „Beziehungsarmut“ etwa, so ihre Wahrnehmung, müsse noch stärker in den Blick genommen werden. „Beziehungsarm“ sei auch eine Kirche, die ihre „Armen“ nicht kenne. „Lernen Sie die Bedürftigen in ihren Gemeinden und deren Lebenswelt noch besser kennen“, ermunterte sie. Meier-Gräwe sieht weitere Wahrnehmungs-Defizite: „ Es fehlt häufig noch die Einsicht, dass es auch auf dem Lande schon ‚ernst’ ist“, unterstrich sie und plädierte für noch mehr Kooperation und Vernetzung der lokalen Armutsbekämpfer. „ Keine konkurrierenden Angebote, mehr Abstimmung“, forderte sie vor der Kreissynode ein. PES.
Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe von der Uni Gießen führte die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen in Oberwambach in das Schwerpunktthema „Armutsbekämpfung