„Der neue Bundespräsident muss die gesellschaftlichen Gräben wieder ebnen“
MANNHEIM – „Der neue Bundespräsident muss die gesellschaftlichen Gräben wieder ebnen“ – Kommentar von Ethik-Experte Christoph Dyckerhoff – Im nächsten Jahr geht die Ära Gauck im Schloss Bellevue zu Ende – so hat es der 76jährige Bundespräsident entschieden. Wie ist die Präsidentschaft von Joachim Gauck zu bewerten? Und welche Fähigkeiten muss ein neuer Bundespräsident mitbringen, um den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden? In einem Kommentar nimmt Ethik-Experte Christoph Dyckerhoff zu diesen Fragen Stellung. Christoph Dyckerhoff ist Geschäftsführer der einzigen Personalberatungsgesellschaft in Deutschland, die sich auf die Gewinnung von Spitzenkräften nach ethischen Kriterien spezialisiert hat.
Der Kommentar von Christoph Dyckerhoff im Wortlaut:
„Wer auch immer von der Bundesversammlung am 12. Februar 2017 zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden wird: Er oder sie wird vor größeren Herausforderungen stehen als dies bei den letzten Amtsinhabern der Fall gewesen ist. Denn vor vier Jahren, als Joachim Gauck Bundespräsident wurde, kam es vor allem darauf an, dem Amt nach der unglücklichen Präsidentschaft von Christian Wulff seine Würde zurückzugeben. Dies ist Joachim Gauck voll und ganz gelungen, mit ihm verlässt ein Staatsmann das Schloss Bellevue, der im Inland wie im Ausland durchweg anerkannt ist.
Die Turbulenzen, mit denen sich Gauck bereits im Laufe seiner Amtszeit auseinandersetzen musste, werden sich jedoch künftig – so ist zu befürchten – weiter verschärfen. Die heutige Zeit ist durch Terror, Krieg und Dauerkrisen geprägt. Vor allem die Flüchtlingskrise hat die politische Kultur in diesem Land massiv verändert und tiefe Gräben in die politische Auseinandersetzung, aber auch in den Alltag vieler Menschen gerissen. Die Menschen in diesem Land sind tief verunsichert und haben vielfach das Vertrauen in die Zukunft verloren, der Zusammenhalt und der soziale Frieden in Deutschland scheinen ernsthaft bedroht.
In dieser besonderen historischen Situation wird beim neuen Bundespräsidenten, ob männlich oder weiblich, vor allem eines gefragt sein: Die Befähigung zum Ausgleich, verbunden mit mentaler Stärke. Die gesuchte Persönlichkeit sollte krisenerprobt sein, Integrationskraft, Toleranz und Augenmaß ausweisen und sich auf nationalem wie auf internationalem Parkett souverän bewegen. Sie sollte in der Lage sein, mit einem positiven Menschenbild auf die Sorgen und Nöte der Bevölkerung einzugehen und dafür sorgen, die Gräben in der Gesellschaft langsam wieder zu ebnen.
Um diesen Anforderungen zu genügen, bedarf es zudem einer Persönlichkeit mit einem besonderen Charisma, die Vorbild ist, in der Breite der Gesellschaft Anerkennung findet und in jeder Situation persönliche Reife zeigt. Gleichzeitig ist Mut gefragt, um den Menschen zu vermitteln, in ihrem direkten Umfeld Probleme zu lösen und damit die Welt im Kleinen zu verbessern. Der künftige Bundespräsident muss aber auch befähigt sein, bei den Menschen Geduld einzufordern und auch einmal unbequeme Positionen einzunehmen, wenn die Situation es erfordert.
In all diesen Punkten hat Joachim Gauck in den vergangenen vier Jahren viel geleistet. Es wird die Aufgabe seines Nachfolgers sein, den von ihm eingeschlagenen