Aufsatz zum Thema „Mindestlohn“ von Josef Zolk, Bürgermeister VG Flammersfeld

FLAMMERSFELD – Mindestlohn wird kommen –

In Deutschland hat sich seit Anfang der 2000er Jahre ein Niedriglohnsektor entwickelt, in dem mittlerweile über 20 Prozent aller Beschäftigten arbeiten. Niedriglöhne entstehen vor allem da, wo es keine funktionierende Tarifpartnerschaft gibt. In Westdeutschland wurde im Jahre 2009 für 65 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in Ostdeutschland für 51 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein Branchen- oder Firmentarif angewendet, wobei der Anteil der Beschäftigten, deren Lohn- und Arbeitsbedingungen durch einen Tarifvertrag geregelt werden, seit 1996 rückläufig ist.

Grundsätzlich ist in Deutschland die Lohnfindung Sache der Tarifpartner. Das unterstütze ich ausdrücklich, so Bürgermeister Josef Zolk, Flammersfeld. Und wenn Betriebe nicht der Tarifgemeinschaft angehören, aber trotzdem gute Löhne zahlen. Auch o.k. Da aber die Tarifbindung nachlässt, gibt es aber immer mehr tarifvertragsfreie Zonen, in denen Arbeitgeber die Löhne einseitig festlegen. In weiteren Branchen ist ein Mindestlohn rechtlich möglich, aber nicht in Kraft gesetzt.

Besonders problematisch ist es aber, dass es in der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen gibt, nach denen Stundenlöhne von weniger als 6,00 Euro gezahlt werden (zum Beispiel liegt der Stundenlohn für Friseure im ersten Berufsjahr in Sachsen bei 3,82 Euro pro Stunde). Und 4,6 Millionen Beschäftigte erhielten im zweiten Halbjahr 2006 laut statistischem Bundesamt in Deutschland weniger als 7,50 Euro pro Stunde.

In 20 von 27 EU-Ländern wird heute ein Mindestlohn gezahlt. Eine Einheitlichkeit in der Unterschiedlichkeit in Europa kann niemand wollen, denn die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind zu groß. Aber das Grundproblem ist identisch. Und dort, wo es Mindestlöhne gibt, werden sie allgemein akzeptiert und begrüßt. Glücklicherweise wird auch bei uns intensiv von sachkundigen Organisationen und Unternehmen diskutiert, was häufig verschwiegen wird:

Zwei Beispiele:

Der Discounter LIDL hat sich für einen Mindestlohn von zehn Euro im Lebensmitteleinzelhandel eingesetzt und begründet diese Forderung damit, dass sich nur mit einem verbindlichen Mindestlohn das in verschiedenen Branchen zu beobachtende Lohndumping unterbinden lasse. Der Deutsche Juristentag hat sich mit deutlicher Mehrheit auf dem 68. Juristentag für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland ausgesprochen. Der Mindestlohn solle „ein angemessenes Entgelt für Vollzeitarbeit und Ernährung der Familie gewährleisten“ und so bemessen sein, dass auch im Alter keine staatliche Unterstützung notwendig sei.

Ein Lösungsweg ist eine allgemeine Lohnuntergrenze, die sich an der Höhe des Mindestlohnes in der Zeitarbeit orientiert, wie dies das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ermöglicht. Die Tarifparteien schlagen danach gemeinsam eine Lohnuntergrenze vor, die auf einem Tarifvertrag über Mindeststundenentgelte basiert. Da Zeitarbeit branchenübergreifend ist, wäre dies ein guter Maßstab für eine allgemeine Lohnuntergrenze, die über alle Branchen hinweg gilt. Dann bliebe es beim Ja zur Tarifautonomie, die da ergänzt wird, wo sie nicht mehr greift. Natürlich ist das alles kompliziert, aber das Ziel zählt: Mindestlohn für die Beschäftigten. Die rechtlichen und politischen Zusammenhänge sind wahrlich schwierig. Aber der Weg lohnt. Für die Menschen und für den Sozialstaat.

Eine Lohnuntergrenze ist auch aus einem ordnungspolitischen Grund vernünftig. Immer mehr Betriebe beklagen Schmutzkonkurrenz durch Wettbewerber, die ihren Beschäftigten Dumpinglöhne zahlen. Lohnuntergrenzen sichern an dieser Stelle fairen Wettbewerb, auf dem die Soziale Marktwirtschaft schließlich fußt. Also: Mindestlohn ist aktiver Schutz für den Mittelstand.

Unsere Region ist durch mittelständische Betriebe und Unternehmen gekennzeichnet. Aus vielen Gesprächen mit unseren Unternehmerinnen und Unternehmern weiß ich, dass man nicht versteht, dass es den Mindestlohn noch nicht gibt. Denn: „Wer gut arbeitet, muss auch ordentlich verdienen“, heißt es dort meist. Die Verantwortlichen in den Unternehmen sind sehr viel weiter, als die Funktionäre in den jeweiligen Verbänden. Wer Arbeitsplätze erhält und schafft, ist mir wichtiger als ein gut bezahlter Verbandsfunktionär ohne konkrete Verantwortung im Betrieb.

Hinzukommt: Wer im Arbeitsleben für Mindestlohn arbeiten muss, wird im Alter von der Grundsicherung leben müssen. Das ist nicht nur teuer für die Allgemeinheit, es ist auch herabwürdigend für die betroffenen Menschen.

Ich hoffe, dass die Diskussion in der Union eine allgemeine gesetzliche Lohnuntergrenze bringt. Alles andere wäre für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die CDU schädlich, ja grausam für beide.

Josef Zolk, 61 – Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flammersfeld – Mitglied im Bundesvorstand der CDU-Sozialausschüsse (CDA)

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