ALTENKIRCHEN – Wolfgang Niedecken liest aus seinem Buch und singt Bob Dylan auf der Glockenspitze in Altenkirchen

ALTENKIRCHEN – Wolfgang Niedecken liest aus seinem Buch und singt Bob Dylan auf der Glockenspitze in Altenkirchen

Für Wolfgang Niedecken ist Bob Dylan der Größte unter den amerikanischen Songwritern. Ohne ihn wäre Niedecken, so sagt er, „mit Sicherheit nie Musiker geworden“. Der Kölner Vollblut Musiker, hat seit seiner Schulzeit im katholischen Internat in Rheinbach eine besondere Beziehung zu Bob Dylan. Das und was dahinter steckt, hat Wolfgang Niedecken am Sonntag, 12. September 2021, beim Open Air Sommer auf der Altenkirchener Glockenspitze zum Besten gegeben.

Schon 16.30 Uhr vor dem Konzert nach 18.00 Uhr hatten sich lange Schlangen vor dem Einlass gebildet. Die Veranstaltung im Rahmen des Altenkirchener Kultursommers hatte hunderte Menschen aus der Region und von Rhein, Lahn und Sieg angelockt. Ein oft weiter Weg hat sich dann auch für zwei Stunden beste Unterhaltung gelohnt. Nach den 18 Monaten, wo die Kulturszene durch Corona faktisch lahmgelegt war, freuten sich Wolfgang Nidecken und der seit 1977 Mitstreiter und Freund Mike Herting, wieder vor echtem Publikum zu stehen. Dem Publikum ging es wahrscheinlich genauso. An kleinen Tischen mit Kerzenlicht erlebten ganz Coronakonform die Gäste einen wunderschönen Spätsommerabend auf der Altenkirchener Glockenspitze.

Nach einem sehr warmen Nachmittag konnte man nach Sonnenuntergang feststellen, dass die Temperaturen im Westerwald zumindest Strickjacke-niveau erreichen können. Das stellte auch der bekannte Neuwieder Fotograf Jörg Niebergall fest. Der 60jährige Neuwieder Ratsherr und Sportlehrer holte sich in der Pause einen Anorak aus dem Auto, um für den Rest des Konzerts kein temperaturbedingtes Gänsehautfeeling zu bekommen. Trotz der Schreibarbeit, die nach einigen Reportagen am Wochenende auf dem Schreibtisch daheim warteten, blieb der Mann, der mit der beeindruckenden Kamera Bilder schoss, bis zuletzt. Das ist für den „rasenden Reporter“ eigentlich recht ungewöhnlich, denn bei dem letzten Niedecken Auftritt kürzlich im Engerser Schloss war Jörg Niebergall nur zehn Minuten geblieben. Dass er jetzt so lange blieb, hatte sicherlich mit den spannenden und teilweise lustigen Geschichten und fetzigen Songs zu tun, die der 70jährige Musiker und Vater von vier Kindern zum Besten gab.

Was mit einem roten Bass aus dem Quellekatalog, als Mitglied einer Schülerband in Rheinbach angefangen hatte, führte über fünf Jahrzehnte zu einer erlebnisreichen Musikerkarriere. Und das nicht nur in der Domstadt, wo man seine kölschen Liedtexte wohl am besten versteht. Sein Spitzname „Südstadtdylan“, bezeichnet den Sohn, eines aus dem rheinischen Unkel stammenden Lebensmittelhändlers, am besten. Der Name BAB, der Band, deren Frontmann und Gründungsmitglied Niedecken ist, geht auf seinen verstorbenen Vater, seinen Bab zurück, über den er in einem seiner bekanntesten Lieder „Verdammt lang her“ singt. Den Song allerdings hörte man in Altenkirchen im Freilichtrestaurant nicht. Wohl aber die Erinnerung an die „aal Frau Hermann“, eine Bewohnerin des Altenheims, in denen Niedecken als junger Mann Zivildienst abgeleistet hatte. Auch die Geschichte einer besonderen Freundschaft zu einer Schaustellerin, die auf einem Trümmergrundstück in der Nähe seines Elternhauses ihr Winterquartier hatte, las der Mann mit Hut und Sonnenbrille aus seinem Buch vor.

Eine berührende Geschichte einer 93jährigen, erstaunlichen Frau, die sich auch nach Jahren noch an den „Niedeckens Jung“ erinnerte, der ihr mit der Gitarre ein Geburtstagsständchen im Altenheim widmete. Während wahrscheinlich nicht wenige Besucher, die gecoverten englischen Texte von Bob Dylan nicht verstanden, befand man sich doch, wie der Künstler wissen ließ, in Altenkirchen im selben Sprachraum. Was bei seinen nächsten Konzerten in der Schweiz, zu denen er noch in der Nacht unterwegs sein wollte, wahrscheinlich nicht der Fall sein wird.

Niedecken, der an diesem Abend zumindest mit Ehefrau Tina und dem Familienhund unterwegs ist, zeigt sich als überaus flexibel, als er einen Text in bayrisch singt. Das Kölsche allerdings, klingt bei ihm wesentlich authentischer. Als er sich am Konzertende zusammen mit seinem Pianisten Mike Herting verbeugt, ist ihm ein langer Beifall gewiss. Für die Besucher, die beim Rausgehen wieder ganz Coronakonform ihre Masken aufsetzen, war es mit Sicherheit ein unvergesslicher Abend. (mabe) Fotos: Marlies Becker/Rewa

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