Oberlahr etwas kritisch beobachtet

Oberlahr 2781OBERLAHR – Klatsch und Tratsch aus Oberlahr – Oberlahr im Westerwald ist nicht besonders groß, hat etwas mehr als 700 Einwohner und zeitweise sterben mehr weg als neu dazukommen. Hier könnten eigentlich mehr Menschen leben, denn an Arbeitsplätzen mangelt es nun wirklich nicht. Um die 500 Stellen werden es schon sein. Bei den beiden ansässigen Großunternehmen und den kleineren Betrieben von Gärtnerei über Bäckerei, Autohaus und Glasveredlung gibt es auch immer mal wieder die Möglichkeit Arbeit zu finden. Wohnortnah seine Brötchen zu verdienen ist also hier durchaus machbar. Obwohl wohnen wollen die wenigsten dieser vielen Arbeitnehmer in der wirklich schönen Gemeinde Oberlahr. Das erkennt man an den leerstehenden Immobilien.

Einige sind schon aus dem Bild der Bahnhofstraße, mitsamt der viele Jahre stark frequentierten Tankstelle, verschwunden. Der Blick auf das örtliche Autohaus ist nun großzügiger. Der Wohnraumbedarf der schmucken Gemeinde mit den vielen alten Fachwerkbauten im Kern um die Katholische Kirche, ist ausreichend. Aber so richtig was los ist hier vielleicht nur am Veilchendienstag. Im übrigen Jahr muss man schon weit fahren um Kunst, Kultur und Einkaufsspaß zu erleben. Bildung allerdings findet in der 150 Jahre alten Schule am Vormittag für ein paar Dutzend Schulkinder und am Abend von der VHS für Erwachsene, in den gleichen Klassenzimmern statt. Dann werden Sprachen gebüffelt. Gesungen wird in Oberlahr seit 180 Jahren im Kirchenchor und musiziert im Oberlahrer Westerwaldorchester, das inzwischen auch über 90 Jahre existiert. Nach Schließung ihrer Stammkneipe, die nur eine von fünf geschlossenen Lokalitäten war, ist der Sonntagsstammtisch, wo man nach der Messe traditionell ein Bier oder auch mehrere trank, nun ins Rathaus oder ersatzweise in den Backes gezogen.

Das bekannteste Stammtisch Mitglied, der Pastor von Sankt Antonius, findet die Lösung recht passabel, zumal er zum Pfarrhaus nur wenige Schritte zu laufen hat. Auch hier beim Stammtisch fällt auf, dass es in der Karnevalszeit leerer ist. Desgleichen bei dem Rest der Vereine von denen es so einige gibt. Feuerwehr, Junggesellen- und Fußballverein, Tanzgruppen, Angelverein und Häkelgruppe. In letztere herrscht Nachwuchsmangel. Während die Junggesellen und die Fußballer nachwachsen, ist bei den Häkeldamen und im Kirchenchor der demografische Wandel schon angekommen. Wie auch andernorts, ist die Hälfte der Einwohner von Oberlahr jenseits der 60.

Das ist allerdings nur eine Zahl, denn viele der älteren Menschen im Dorf sind topfit und bringen sich bei Festen, in der Dorfverschönerung und im kirchlichen Bereich ein. So helfen die KFD Frauen im Pfarrheim bei Beerdigungen oder bei Besuchen älterer Menschen, unter anderem in Altenheimen. Eigentlich eine Menge Pluspunkte neben der schönen Landschaft, der traumhaften Wanderwege, schönen Spielplätze für die Kinder der örtlichen Kindertagesstätte. Es locken Ruhebänke in den Parkanlagen am Brunnen und am Dorfplatz gegenüber dem Pfarrheim.

Im gemütlichen Oberlahr tobt eben nicht das Leben und wer kein Auto hat kommt zumindest an Sonn- und Feiertagen und in den Schulferien schlecht weg. Da es aber außer der Bäckerei kein Lebensmittelgeschäft gibt, muss man für die Wurst und den Spinat in die Nachbarorte fahren. Das allerdings erfordert zumindest von dem, der mit dem Bus fahren muss, eine organisationstechnische Spitzenleistung. Schon beim lesen des Fahrplans an der Bushaltestelle braucht man eine gute Brille, um das Kleingedruckte zu erkennen. So ein Bus ist auf den Schülerverkehr getaktet und kommt eben nicht immer. Zumeist an Ferien und Feiertagen steht man umsonst am Haltepunkt. Während Stadtbewohner schon mal ohne Auto auskommen können, braucht die Durchschnittsfamilie in Oberlahr zwei Fahrzeuge. Wenn man den Zeitaufwand und die Kosten im täglichen Leben in einer kleineren Gemeinde abseits der großen Welt bedenkt, kann man durchaus verstehen wenn junge Menschen lieber in er Stadt wohnen, selbst wenn sie hier Arbeit haben. Noch gibt es eine gute medizinische Versorgung durch eine Ärztin, aber auch die gehört bald zu den über 60 Jährigen. Ob der Pastor, der in diesem Jahr 80 wird, noch mit 100 Jahren einen Festgottesdienst zelebriert ist fraglich. Die Kirche als Wahrzeichen von Oberlahr allerdings wird erhalten bleiben und Kinder die hier getauft werden oder zur Erstkommunion gehen, gibt es dank vieler junger Familien in den Neubaugebieten wieder mehr. Alles halb so schlimm, sagen zumindest die Zukunftsforscher, die Oberlahr, Deutschland und den Rest der Welt im Auge haben.

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