MAINZ – Tarifverträge im ÖPNV – „Ministerium agiert im Blindflug“
MAINZ – Tarifverträge im ÖPNV – „Ministerium agiert im Blindflug“ – Entscheidung steht an, ob ÖPNV-Anbieter neue Tarifverträge annehmen müssen – Ministerium kann laut eigener Aussage Folgen nicht abschätzen – Wefelscheid sieht „horrende Kosten“ auf Kommunen zukommen
Bereits seit Juni dieses Jahres steht im Raum, dass der bisher für einen Großteil der Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gültige Tarif der Vereinigung der Arbeitgeberverbände des Verkehrsgewerbes Rheinland-Pfalz (VAV) als repräsentativ aberkannt und stattdessen der Bezirkstarifvertrag über Mindestentgelte im rheinland-pfälzischen Nahverkehr mit Omnibussen (BezTV ME-N RP) als repräsentativ anerkannt werden könnte. Durch die Aberkennung des einen und zeitgleiche Anerkennung des anderen Tarifvertrages als repräsentativ wären die privaten Verkehrsbetriebe künftig gezwungen, diesen Tarif anzunehmen. Denn andernfalls, so sieht es das Landestariftreuegesetz in § 4 Abs. 3 vor, dürfen keine öffentlichen Aufträge an die Unternehmen vergeben werden.
Schon Anfang Juni 2025 bezeichnete Stephan Wefelscheid, Landtagsabgeordneter aus Koblenz, einen solchen Schritt als „direkten, politischen Eingriff in die Tarifautonomie zugunsten der Gewerkschaft und einen schweren Schlag für die privaten Verkehrsunternehmen“.
Im Anschluss richtete er zudem eine Anfrage an die Landesregierung, mit welchen Folgen durch die Umstellung auf die Bezirkstarife zu rechnen sei. Von der mittlerweile vorliegenden Antwort zeigt sich Wefelscheid verblüfft: „Im Wesentlichen hat mir die Landesregierung geantwortet, dass die Folgen noch nicht abschätzbar sind, obwohl die Bezirkstarifverträge schon seit Monaten vorliegen und auch die Debatte des zuständigen Beirats bereits Anfang Juni war.“
Aufschlussreich sei aber die Sitzung des Mobilitätsausschusses im Landtag am 4. September gewesen: „Dort habe Staatssekretär Hauer unter Berufung auf Zahlen des Mobilitätsunternehmen Transdev mitgeteilt, dass durch eine Umstellung der Tarifverträge zusätzliche Kosten von rund 60 Millionen Euro entstehen würden. Diese horrenden Kosten hätten nach meiner Kenntnis die Kommunen zu tragen, da die ÖPNV-Unternehmen diese weitergeben müssen. Bisher wäre mir zumindest nicht bekannt, dass da in irgendeiner Form ein Kompensationsangebot des Landes vorliegt, das ja anscheinend noch nicht einmal über eigene Zahlen verfügt.“
„Unter diesen Vorzeichen hoffe ich sehr, dass vor einer etwaigen Entscheidung zur Umstellung der Tarifverträge sowohl die faktischen als auch die rechtlichen Folgen gründlich geprüft werden“, so Wefelscheid. „Denn die Verkehrsunternehmen haben schon klar gemacht, dass eine Umstellung sofortige Folgen für die operative Ebene hätte und die Mehrkosten unmittelbar auflaufen würden. Wenn dann die Kommunen nicht unmittelbar einspringen und mit der Finanzierung entgegenkommen, stehen schlimmstenfalls Ausfälle und Insolvenzen an, was zu Notvergaben und eingeschränkter Versorgung im ÖPNV führen könnte.“
Zudem sei das Land bei den sogenannten Regiolinien vollständig in der Finanzierung, sodass die aus einem Tarifwechsel entstehenden Mehrkosten hier direkt vom Land zu tragen wären.
„Die Landesregierung ist in meinen Augen dringend aufgefordert, auch die Arbeitgeberverbände an den Tisch zu holen und bestenfalls einen Schlichtungsprozess konstruktiv zu begleiten, um eine solche Situation abzuwenden. Denn noch mehr Chaos und zusätzliche Kosten im ÖPNV können auch angesichts der instabilen Zugverbindungen und der belasteten Haushalte weder die Bürger noch die Kommunen vertragen. Das Vertrauen in und die Funktionalität des ÖPNV nochmals derart zu erschüttern wäre in Zeiten des Klimawandels unverantwortlich.“




















