WALDBREITBACH – „Das Gefühl ist unvergleichlich“ – Waldbreitbacher läuft in Belfast seinen 200. Marathon und hört noch nicht auf
Veröffentlicht am 21. Mai 2024 von wwa
WALDBREITBACH – „Das Gefühl ist unvergleichlich“ – Waldbreitbacher läuft in Belfast seinen 200. Marathon und hört noch nicht auf
„Ich habe eine ausgeprägte Allergie gegen Läufe ab 30 Kilometer Länge“. Mit dieser Aussage überrascht Wolfgang Bernath bei einem Gespräch, wo es doch um seinen 200. Wettbewerb über mindestens die Marathondistanz geht. „Ich meine solche ohne Startnummer. Denn die sind ja quasi sinnlos, weil es als Belohnung nicht einmal eine Urkunde gibt“, räumt der bald 65-jährige Waldbreitbacher augenzwinkernd ein. In den vergangenen 23 Jahren ist, bis auf die Folgen eines Zehenbruchs, keine einzige Woche vergangen, in der er nicht joggen war. Der Wunsch, überhaupt Marathon zu laufen und dann auch noch in dreistelliger Anzahl, stand allerdings keineswegs am Anfang seiner Laufkarriere, die er im Alter von 41 Jahren begann.
„Das regelmäßige Laufen habe ich über den Lauftreff des VfL Waldbreitbach begonnen“, berichtet Bernath, den 2001 die Liebe ins Wiedtal zog. „Die haben mich einfach mitgenommen.“ Daraus resultierte sein allererster Wettkampf: Der Nikolauslauf auf der Erpeler Ley über 9,45 Kilometer. „Das hat mir Spaß gemacht“, so Bernath, „vor allem, weil ich nicht Letzter wurde.“ Darauf folgten in den nächsten Monaten weitere Wettkämpfe, bei der sich sowohl Distanz als auch Anspruch langsam steigerten.
Die Gruppe motivierte und trug ihn durchs mehrmals wöchentliche Training. „Ich hatte schon am Löwenburglauf teilgenommen und auch am Drachenlauf. Doch fehlte zum kompletten Siebengebirgscup noch der Siebengebirgsmarathon“, berichtet Bernath. So kam er zu seinem ersten von nunmehr 200 Läufen über mindestens die Marathondistanz. „Bei der Anmeldung war ich mächtig nervös gewesen und hatte die Hosen gestrichen voll“, gibt er zu. Doch es klappte: Erstmals waren im Dezember 2002 die magischen 42,195 Kilometer, sogar inklusive 780 Höhenmeter, absolviert. „Auf diese Leistung war ich total stolz“, schaut er zurück, doch gibt auch zu: „Die ersten Tage danach konnte ich vor lauter Muskelkater die Treppen nur rückwärts runtergehen.“
Doch Schmerz vergeht und Stolz bleibt – so lautet ein gleichermaßen beliebter wie auch wahrer Spruch unter Läuferinnen und Läufern. So war es auch bei Bernath: „Das Gefühl, wenn du nach dieser für die meisten deiner Mitmenschen irren Strecke im Ziel bist, ist einfach unvergleichlich“. Daher ist er auch mit Mitte 60 unverändert motiviert. Dass es durchaus noch Luft nach oben gibt, zeigen Menschen, die schon bei bis zu 3.300 Marathons ins Ziel gekommen sind. „Bevor es nicht mehr geht, wären vielleicht 300 und damit die Aufnahme in die sogenannte japanische Liste nett. Aber man weiß ja nie, wie lange es noch funktionieren wird.“
Seine Bestzeit erreichte er 2005 in Palermo mit 3:27 Stunden. Aber um die Jagd nach persönlichen Rekorden geht es ihm schon lange nicht mehr, zumal er nie ein schneller Läufer war. Dafür sucht er seine Wettkampforte gezielt auch unter touristischen Aspekten aus. Malibu an der Westküste der USA war in diesem Zusammenhang wohl seine weiteste Laufreise, auch besondere Glanzlichter wie Marathons 500 und 700 Meter im Bergwerk untertage, in Nairobi/Kenia und natürlich den New York City-Marathon zählt er auf seiner Habenseite. Und wie bewertet seine Frau Elke diese Reise- und Lauflust? „Können wir einmal, nur einmal einen normalen Urlaub machen, ohne dass du dort einen Lauf machst?“, fragte sie eines Tages und bekam als Antwort: „Selbstverständlich können wir das, aber solch ein Urlaub ist doch völlig sinnlos.“ Mittlerweile verbindet das Ehepaar Reisen und Laufen längst als gemeinsames Hobby. „Denn auch ich laufe gerne über 10 bis 15 Kilometer“, wirft seine Elke ein.
Wie der Anfang gelingt: „Beim Laufen sind 80 Prozent Kopfsache, und der Rest ist mental“, antwortet er lachend auf die Frage, wie entscheidend Kopf und Kraft für die Zielerreichung sind. Trotzdem ist natürlich moderates Training die Grundvoraussetzung für Erfolg und Verletzungsfreiheit. Laufanfängern rät er, es vor allem langsam angehen zu lassen. „Viele sind anfangs hoch motiviert, aber viel zu schnell und zu häufig unterwegs. Denn der Körper braucht Zeit, sich an die Belastung zu gewöhnen.“ Doch drei Mal die Woche unterschiedlich gestaltetes Training müsse sein, „sonst erzielst du keine Fortschritte“. Auch ein alter Körper hoch in den Siebzigern und noch älter sei trainierbar, sofern die vorherige ärztliche Untersuchung positiv verlaufen ist. Beginner sollten sich für die Vorbereitung auf einen Marathon ein, besser zwei Jahre Zeit nehmen, um dieses einmalige Erlebnis ein bei aller Anstrengung schönes werden zu lassen. Er selbst befinde sich sozusagen immer in Vorbereitung, da er durchschnittlich einen Marathon pro Monat laufe. Dabei setzt er auf eine normale und abwechslungsreiche Ernährung ohne künstliche Ergänzungsmittel und einen guten Physiotherapeuten.
Ausgeglichenheit, Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit: „Selbstverständlich ist das Laufen weder eine Kranken-, geschweige denn eine Lebensversicherung. Aber ich tue ganz bestimmt etwas für meine Gesundheit, darüber hinaus bewirkt die regelmäßige Bewegung ein hohes Maß an Ausgeglichenheit, Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit“, benennt er seine Motivation, wobei er ehrlicherweise zugibt, dass auch er nicht immer Lust aufs Joggen hat. „Spätestens aber hinterher unter der Dusche bist du auf deine Selbstüberwindung stolz“, spricht er aus Erfahrung. Die 42,195 Kilometer sind dabei nicht die längste Strecke, die Bernath am Stück gelaufen ist: Er ist auch „Ultraläufer“. Dabei werden Distanzen von mindestens 45 bis zu mehreren hundert am Stück Kilometer zurückgelegt. 2006 war das bei ihm beim Albmarathon mit seinen 50 Kilometern und 1.100 Höhenmetern soweit.
Nach nun 200 Marathons und vielen weiteren Läufen bleibt zum Schluss natürlich noch eine Frage zu klären: Nämlich die nach dem schönsten Marathon? „Die ist nicht zu beantworten, denn das Erlebnis wird auch von den äußeren Umständen wie Witterung und auch der persönlichen Tagesform bestimmt. Außerdem sind die Läufe zu unterschiedlich: Vollkommen städtisch wie z.B. in Berlin, in alpiner Landschaft, wie z.B. an der Jungfrau, oder untertage in einem ehemaligen Bergwerk. Wie will man das vergleichen?“ Der Arzt Christian Hottas mit inzwischen rund 3.300 absolvierten Marathonläufen und länger bringt es für ihn auf den Punkt: „Jeder Lauf ist ein Geschenk!“ Foto: Wolfgang Bernath