KREIS ALTENKIRCHEN – Wenn die Seele leidet… – Präventionsarbeit am Betzdorfer Gymnasium

KREIS ALTENKIRCHEN – Wenn die Seele leidet… – Präventionsarbeit am Betzdorfer Gymnasium

Wer sich in Deutschland ein Bein bricht, wird binnen weniger Stunden ärztlich behandelt. Wer mit einer psychischen Erkrankung einen Therapieplatz benötigt, wartet im Schnitt fünf Monate. Hinter diesem Vergleich stecken gleich mehrere Botschaften. Das ist zum Beispiel die, dass es nach wie vor solche und solche Erkrankungen gibt. Oder die, dass es einen enormen Bedarf nach Behandlung gibt.

Dabei haben Depression, Burn out, Borderline und Co. längst die Tabuzone verlassen und sind buchstäblich mitten in der Gesellschaft angekommen. Und eben weil man diese Krankheiten inzwischen erkennt und benennt, steigen die Fallzahlen. Mehr als jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist von einer psychischen Erkrankung betroffen – und können darüber sprechen. „Das zeigt aber auch, dass Prävention und Aufklärungsarbeit wirken“, sagt Janna Dreckkötter. Die 26-jährige Sozialarbeiterin aus Neuwied ist dieser Tage zweimal zu Gast am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Betzdorf/Kirchen. Mit ihrem Workshop „Perspektivenwechsel“ will sie die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen für das so wichtige Thema sensibilisieren, gerade auch in einer Zeit, wo die Welt von einer Krise in die andere driftet.

Dass die Prävention daher ganz früh ansetzen, ist auch die Überzeugung von Yvonne Berndt

vom Kinder- und Jugendschutz der Kreisverwaltung und Schulsozialarbeit Sandra Staudt. Beide haben den Workshop als Kooperationsveranstaltung organisiert – und mit Janna Dreckkötter genau die richtige Referentin engagiert, weiß sie doch, wovon sie spricht. Sie hatte schon mit zwölf Jahren depressive Gedanken, erhielt mit 15 Jahren die Diagnose „Magersucht“, unternahm Suizidversuche und blickt letztlich auf neun Jahre stationäre und ambulante Therapieerfahrung. Die Authentizität ist also gegeben, und das macht sich auch in der Aufmerksamkeit der Jugendlichen bemerkbar.

Der Titel „Perspektivenwechsel“ macht dabei deutlich, dass Janna Dreckkötter das Thema sowohl aus Sicht einer Betroffenen als auch Außenstehender betrachtet. Ihr zentraler Appell: Je früher Hilfe angenommen oder angeboten wird, desto besser. „Wegignorieren ist das Schlimmste, was man tun kann.“

Offensichtlich ist das Thema für die Betzdorfer Gymnasiasten auch alles andere als abstrakt. Das zeigte die Vielzahl von (aufgeschriebenen) Fragen, die Yvonne Berndt zu Beginn des Workshops eingesammelt hatte. So gab es auch Ratschläge, wo es Hilfe vor Ort gibt, wie man mir Erkrankten umgeht – oder, ganz konkret, wie schlechte Noten verarbeitet werden sollen. Hier hatte Janna Dreckkötter eine klare Meinung: „Mich hat nach der Schule nie wieder jemand nach meinen Noten gefragt.“ Auch Yvonne Berndt riet den Schülern dazu, eine Note vom Selbstwertgefühl zu entkoppeln. Wichtig sei: „Ich habe mein Bestes gegeben – und dann ist es auch gut so.“

BZ: Janna Dreckkötter führt derzeit am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Workshops zum Umgang mit psychischen Erkrankungen durch. Die Zehntklässler werden mit kleinen Übungen dazu animiert, ganz spezielle Perspektivwechsel vorzunehmen. Fotos: Kreisverwaltung/Thorsten Stahl

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