OBERERBACH – Medizintechnik „made in AK“

OBERERBACH – Medizintechnik „made in AK“

Wer von der Wirtschaft im Kreis Altenkirchen spricht, hat immer die beiden großen „M“ im Blick:  Metall und Maschinenbau. Das Erbe des Strukturwandels nach dem Bergbau und Hüttenwesen ist nach wie vor dominant. Doch gibt es da noch ein drittes „M“, zwar etwas versteckt, gleichwohl sehr innovativ und vor allem zukunftsträchtig. Gemeint ist die Medizintechnik.  Für diese Branche steht im Kreis der Name SEM-Plastomed GmbH. Die Firma befindet sich nicht in einem der großen Gewerbegebiete entlang der Hauptverkehrsadern, sondern mitten im eher beschaulichen Dorf Obererbach nahe Altenkirchen. Selbst Landrat Dr. Peter Enders hatte das Familienunternehmen so nicht „auf dem Schirm“ – was sich nun nach einem Besuch vor Ort nachhaltig geändert hat. Begleitet wurde er von Lars Kober, Leiter Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen, VG-Bürgermeister Fred Jüngerich und Ortsbürgermeister Stefan Löhr. Rede und Antwort standen den Gästen Geschäftsführer Holger Schmid, die kaufmännische Leiterin Claudia Schmid und Holger Gerhards als Leiter des Qualitätsmanagements.

Der erste Eindruck dabei: Die Firma SEM-Plastomed fügt sich trotz der Größe perfekt in das gewachsene Ortsbild ein. Was insofern kein Wunder ist, als dass hier einst die alte Schule ansässig war. Für Bürgermeister Jüngerich ist dies das perfekte Beispiel, dass es nicht immer der Standort auf der grünen Wiese sein muss. Zumal es keinerlei Probleme mit den Nachbarn gebe.

Gegründet wurde das Unternehmen (SEM) in erster Generation 1971 von Herbert Schmid in Altenkirchen. Damals lag der Fokus noch auf Elektromontagen. 1978 erfolgte der Umzug nach Obererbach. Wiederum sieben Jahre später begann man unter dem Namen Plastomed mit der Kunststoffverarbeitung. 1997 wurden beide Firmen zu SEM-Plastomed vereint. Die Obererbacher haben sich seitdem bei Kunden in Deutschland und dem europäischen Ausland einen hervorragenden Ruf mit innovativen Kunststoffprodukten und Systemen speziell für die Medizintechnik erworben, bieten sich darüber hinaus aber auch als kompetenter Lohnfertiger im Kunststoffbereich für diverse Industriezweige an. Für die Produktion der Medizinprodukte stehen gleich mehrere Reinräume zur Verfügung, um die Produkte – wenn erforderlich – steril zu verpacken. Das alles geschieht unter maximalen Qualitätsstandards.

Drei Buchstaben haben in der gesamten Medizinbranche und auch bei Holger Schmid vor einigen Jahren für viel Ärger gesorgt: MDR, die Abkürzung für „Medical Device Regulation“, eine 2017 von der EU auf den Weg gebrachte Verordnung. Diese verpflichtet die Hersteller zu extrem aufwändigen Zertifizierungen und Dokumentationen. Der Geschäftsführer stellte klar, dass diese Anforderungen für sein Unternehmen in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen. „Die gesamte Medizinbranche nimmt seitdem Produkte vom Markt. Das Gegenteil von Patientensicherheit ist damit erreicht worden. Der Patient ist der Leittragende“, so der Geschäftsführer. Zustimmung kam von Landrat Enders: „Es gibt eine gigantische Überregulierung im Gesundheitswesen. Die Dokumentation ist inzwischen mit wesentlich mehr Aufwand verbunden als die eigentliche Arbeit am Patienten.“

Diese Entwicklung bedeutet aber nicht, dass bei SEM-Plastomed GmbH Stillstand herrscht. Im Gegenteil: Dank des breiten Portfolios ist die Belegschaft auf über 60 Köpfe gewachsen, weitere Einstellungen sind geplant, sodass es mittlerweile eng wird in den bestehenden Räumlichkeiten.

Es versteht sich von selbst, dass bei einem so energieintensiven Betrieb wie SEM-Plastomed GmbH auch über weiteres Einsparpotenzial diskutiert wurde. Viele (kleinere) Maßnahmen für eine bessere Energieeffizienz sind dabei vor Ort schon umgesetzt worden. Gerne aber würde Holger Schmid auch eine großflächige Photovoltaik-Anlage installieren, vermisst dabei aber für den Mittelstand die entsprechende Förderung aus Berlin. Einmal mehr werde hier seiner Auffassung nach zu sehr der Fokus auf die Großkonzerne gelegt. Auch in diesem Fall seien Bürokratie und Auflagen (im Verhältnis zur Investitionssumme) der Hemmschuh für kleinere Betriebe. Wirtschaftsförderer Lars Kober empfahl in diesem Zusammenhang, sich von einem auf Unternehmen spezialisierten Energieberater ein Gesamtkonzept erstellen zu lassen.

Landrat Enders war am Ende des Besuchs tief beeindruckt: „Wenn ein Unternehmen so erfolgreich auf einem zukunftsträchtigen Markt agiert und gleichzeitig so viele Arbeitsplätze bietet, kann man mit Fug und Recht von einem Leuchtturm in unserer heimischen Wirtschaftslandschaft sprechen.“

Foto: Bei einem Rundgang durch die Produktionsanlagen erläuterten Geschäftsführer Holger Schmid (l.) und Qualitätsmanager Holger Gerhards (2.v.l.) den Besuchern die verschiedenen Abläufe, v.l.: Fred Jüngerich, Dr. Peter Enders, Stefan Löhr und Lars Kober. Foto: Kreisverwaltung/Thorsten Stahl

Beitrag teilen