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„Jung in Jungenthal – die größte Baumwollmaschinenspinnerei in Preußen“

Veröffentlicht am 12. Dezember 2022 von wwa

KIRCHEN – „Jung in Jungenthal – die größte Baumwollmaschinenspinnerei in Preußen“ – Neuerscheinung des Historikers Dr. Thomas Bartolosch im Rathaus Kirchen vorgestellt

Bei Kinofilmen und TV-Serien spricht man von Prequels, wenn die Vorgeschichte einer Handlung erzählt wird.  Mit einer Vorgeschichte ganz besonderer Art befasst sich der Historiker Dr. Thomas Bartolosch in seinem neuen Sachbuch mit dem Titel „Jung in Jungenthal – die größte Baumwollmaschinenspinnerei in Preußen“.

Die ehemalige Lokomotivfabrik Arnold Jung bei Kirchen (Sieg) ist den allermeisten in der Region ein Begriff. Schließlich hat fast jede Kirchenerin und jeder Kirchener einen Verwandten, der dort beschäftigt war. Weit weniger bekannt dürfte hingegen die Geschichte der Baumwollspinnerei Jung sein, die in der Zeit der Frühindustrialisierung in Deutschland zu einem Unternehmen der Superlative gewachsen war. Eben diese Epoche ist Gegenstand der Neuerscheinung, die jetzt im Rathaus Kirchen vorgestellt wurde. Bürgermeister Andreas Hundhausen würdigte in seiner Begrüßung die Publikation als wichtigen Baustein zur Erforschung der Vergangenheit von Stadt und Region Kirchen.

Nach der Zahl der Spindeln war die Spinnerei in den Jahren 1818 bis 1838 die größte Baumwollmaschinenspinnerei in Preußen. Hatte Kirchen im frühen 19. Jahrhundert kaum mehr als 400 Einwohner, beschäftigte die Familie Jung in früher preußischer Zeit 600 Mitarbeiter. Abgelöst wurde die Spinnerei in ihrer Position als nach der Spindelzahl bedeutendsten preußischen Baumwollspinnerei Ende der 1830er Jahre durch eine noch größere Spinnerei der Baumwolldynastie Jung: die Spinnerei Hammerstein, die sich im heutigen Wuppertaler Stadtteil Sonnborn befand.

Wie andere Spinnereien in Deutschland verfügte auch Jungenthal über das Privileg eines Territorialmonopols, das die Familie Jung vor „Nachstellern“ in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen schützte.  Auch aus technischer Sicht gehörte das Jungenthaler Unternehmen zu den Spitzenreitern rheinischer Baumwollspinnereien: Erste von Wasserkraft getriebene Kratzmaschinen nach englischem Vorbild liefen bereits im Jahr 1800 in Jungenthal. Damit wurde der Übergang von der manufakturellen zur fabrikindustriellen Produktionsweise vollzogen. Das war vorerst aber nur partiell der Fall: Wassergetriebene Spinnmaschinen kamen erst ein paar Jahre später hinzu. Mit diesen konnte die Produktion erheblich rationalisiert und die Produktivität deutlich erhöht werden.

Vergleichsweise fortschrittlich war zudem, dass sich die vier Gebrüder Jung nach dem Tod des Vaters 1808 die Unternehmensführung teilten. Die Beschaffung der Rohstoffe und der Vertrieb bzw. Absatz der fertigen Garne auf den Weltmärkten der Zeit, die Organisation und Überwachung der Produktion als auch die Buchhaltung oder kaufmännische Führung der Firma lagen in unterschiedlichen Händen. Das war eine sehr frühe, wirkungsvolle Arbeitsteilung, die andernorts unbekannt war oder noch nicht praktiziert wurde.

Schließlich rangierte Jung in Jungenthal auch im Kontext innerbetrieblicher Sozialmaßnahmen im Rheinland ganz vorne. Einzigartig war beispielsweise, dass bereits um 1800 in Jungenthal eine erste Kranken- und Pensionsunterstützungskasse gegründet wurde und jahrzehntelang die einzige derartige Einrichtung des Rheinlandes war. Eine „weitere Büchse von freiwilligen Gaben“ wurde „zur Unterstützung armer Kinder angewendet“, wie es in einer zeitgenössischen Quelle heißt. Es gelang der Aufbau eines qualifizierten und sesshaften Facharbeiterstammes mit geringer Fluktuation der Arbeitskräfte. Auch das trug erheblich zum außergewöhnlichen Erfolg der Familie Jung bei.

Bei der Präsentation des Buches dankte Dr. Bartolosch Bürgermeister Andreas Hundhausen für die Bewilligung eines Druckkostenzuschusses der Stadt Kirchen (Sieg) und weiteren Hilfen. Außerdem hat sich Oliver Schneider aus Küsnacht im Kanton Zürich als Jung-Nachfahre an den Druckkosten beteiligt. Er war zu dem Anlass eigens aus der Schweiz angereist. Stephan Hintze als örtlicher Jung-Nachfahre zeigte sich begeistert darüber, auf diesem Weg noch Neues aus der Familiengeschichte erfahren zu können. Für weitere Unterstützung dankte Bartolosch Landrat Dr. Peter Enders von der Kreisverwaltung Altenkirchen sowie dem Vorsitzenden des Vorstandes der Sparkasse Westerwald-Sieg, Dr. Andreas Reingen.

Über 150 Abbildungen befinden sich in der 220 Seiten umfassenden Studie – teils als Bildquellen zur Unterstützung bestimmter Aussagen im Text, teils als Illustrationen aus gegenwärtiger Zeit. Das Werk kostet 32,80 Euro und ist in der Buchhandlung Mankelmuth in Betzdorf, dem Buch- und Schreibwarenhandel Decku in Kirchen oder direkt bei Dr. Thomas Bartolosch (regio-ak@gmx.de) zu erwerben.