Am Montag vor 115 Jahren – Mordtat in Wissen

WISSEN – Am Montag vor 115 Jahren – Mordtat in Wissen

„Auf dem Alserberg ist jemand umgebracht worden!“, dieser Schreckensruf ging vor 115 Jahren wie ein Lauffeuer durch Wissen. So nach und nach bestätigte sich die Meldung: Eine junge Frau war so kurz vor Weihnachten einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Ein Steinkreuz an der Pirzenthaler Straße zwischen Gymnasium und Altbel erinnert bis heute an die schreckliche Tat. Eingemeißelt sind dort die Worte: „Hier wurde am 20. Dzbr. 1906 unsere liebe Tochter und Schwester, die Jungfrau Luise Becher aus Dünebusch, im Kampfe um ihre Unschuld ermordet. Wanderer bete für ihre Seele!“. Aus verständlichen Gründen erregte die Angelegenheit ein riesiges Aufsehen auch über die Grenzen des Wisserlands hinweg. Die Tat hatte sich am frühen Nachmittag bei eisigen Temperaturen ereignet. Die 22jährige Näherin Luise Becher befand sich auf dem Heimweg nach Dünebusch. In einem Waldstück am Rand des Alserbergs lauerte ihr ein Mann auf, gab fünf Schüsse ab und brachte ihr auch einige Schnittwunden bei. Dann hat der Mann sein Opfer vom Weg weggeschleift und ihren Körper mit einem Mantel zugedeckt. Nach dem Bekanntwerden der Tat eilten Ärzte, Gerichtspersonen und Geistliche zum Tatort im Alserwald. Aber zu spät, Luise Becher hatte ihr Leben ausgehaucht. Sie wurde ins Wissener Totenhaus gebracht, wo der Kreisarzt und zwei Kollegen die Leiche obduzierten. Zu Grabe getragen wurde Luise Becher von den Mitgliedern der Wissener Jungfrauenkongregation.

Der Mörder war entkommen. Erst sechs Wochen später konnte man des Mörders habhaft werden. Nach Angaben des Amtsrichters Spieß waren vorher 49 (!) verdächtig erscheinende Personen verhaftet worden. Der wirkliche Täter war somit der 50. Sein eigener Vetter, der sich wohl die ausgesetzten 1.000 Mark Belohnung verdienen wollte, hatte ihn verraten. Unmittelbar nach seiner Festnahme führte man den 23jährigen dem Königlichen Amtsgericht in Wissen zu. Schon Anfang Februar 1907 ist er des Verbrechens an Luise Becher überführt worden. Die eigentliche Verhandlung fand in Neuwied statt. Das Urteil erging im Juni desselben Jahres. Das Landgericht verurteilte den Täter wegen Totschlags zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe mit zunächst drei Jahren Einzelhaft. Das im ersten Moment vielleicht „milde“ wirkende Urteil erklärt sich so: Dem Verbrecher konnte nicht nachgewiesen werden, dass er die Tötung vorgehabt hatte. Vielmehr sei die Tat im Affekt geschehen und deshalb nicht als Mord, sondern als Totschlag zu werten. Der Mann starb einige Jahre später im damaligen Zuchthaus Siegburg. Die Anverwandten des armen Opfers fanden noch lange nach der Beerdigung frische Kränze auf deren Grab. Von den Spendern erfuhr man allerdings nichts. An der Stelle der grausamen Tat steht seither ein Kreuz und gemahnt an den sinnlosen Tod der Luise Becher: „Wanderer bete für ihre Seele!“ (bt) Fotos (1) und Archivfotos (2): Bernhard Theis

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