REGION – Quo vadis altes Leben?
Veröffentlicht am 15. September 2020 von wwa
REGION – Quo vadis altes Leben? – Daheim ist alles beim Alten, fast- bis auf die neuen Utensilien, wie Masken am Schlüsselbrett und Desinfektionsmittel vor dem Spiegel in der Diele. Aber schon ab dem Treppenhaus schleicht sich die Angst ein. Wer hat das Geländer angefasst und den Türgriff der Haustür? Beim Discounter geht’s weiter. Mal schnell rein, drei Sachen in die Hand und zur Kasse, geht nicht. Man muss einen Wagen nehmen. Wer weiß, wer den Griff angefasst hat? Also, wieder ein Taschentuch nehmen mit Desinfektionsmittel reinigen und auf Hände sprühen. Wie viele Menschen sind im Geschäft? Nicht überall eine Frage. Aber könnte sein, dass man in der Schlange steht mit einem Abstand von eineinhalb Meter.
Beim Doktor steht man sogar manchmal draußen und hofft, dass man nach Absprache sein Rezept abholen kann. Gut, dass noch kein Winter ist. Habe schon mal eine Mustermaske aus Wolle gehäkelt. Man hat ja mehr Zeit. Kirmes, Herbstmarkt und Chorproben sind ja wegen Corona gestrichen und Schaufenster bummeln, brauch ich auch nicht. Für irgendwelche anstehende Feiern brauch ich keine neuen Klamotten. Erstens habe ich eigentlich den Schrank voll und es findet auf unbekannte Zeit, eigentlich fast nichts statt. Und wenn doch, überlege ich zweimal, ob ich mich wirklich der Gefahr aussetzen soll, mich anzustecken.
Die Nachrichten aus der Region verheißen nichts Gutes. Täglich neue Infektionen. Eingeschleppt von Leuten, die unbedingt im Ausland Urlaub machen mussten, oder schlecht bezahlten Aushilfskräften aus Niedriglohnländern, die hier in Billigunterkünften untergebracht wurden. Jetzt hat das ein Altenheim getroffen. 17 Infizierte und noch kein Ende. Dabei waren wir im Juni und Juli wochenlang im Kreis bei null. Inzwischen sind es 51 bestätigte Verdachtsfälle. Immer noch generell moderat für die Einwohnerzahl. Aber die Krankheit rückt näher. Das 15jährige Nachbarsmädchen sitzt schon wieder daheim. Die Mutter einer Mitschülerin war mit ein paar Frauen auf Malle. Die hatten als Souvenir den Virus im Gepäck. Den haben die Kegelschwestern der daheimgebliebenen Familie mitgebracht. Zwei Töchter und der Vater sind in Quarantäne. Da heißt es noch vorsichtiger er sein, wenn das Virus schon im Oberdorf angekommen ist.
Inzwischen habe ich mir einen guten Vorrat an haltbaren Lebensmitteln zugelegt. Backe mein Brot selber und wenn ich mein Milchthermometer wieder finden würde könnte ich auch Jogurt selber herstellen. So bräuchte ich nur alle vierzehn Tage in den Supermarkt. Dummerweise habe ich dann immer noch was Wichtiges vergessen. Keine Batterien für die Uhr oder die letzte Rolle Klopapier ist im Anbruch. Das gibt’s ja wieder in reichlicher Ausführung mit und ohne Blümchen, doppelt und dreifach in gefüllten Regalen. Dafür sind beim Apotheker meines Vertrauens die Schubladen leer. Blutdruckmittel und sonstiges Wichtiges aus dem Sortiment haben Lieferengpässe. Grippemittel, Schnupfensprays und Hustensäfte sind aktuell im Überfluss da. Die grippalen Infekte sind dank der Alltagsmasken und der ausgefallenen Veranstaltungen weitestgehend ausgeblieben und die Umsätze der Apotheken rückläufig. Letztlich auch die, einiger Fachärzte. Die drei Zahnarzthelferinnen vom Zahnarzt nebenan sitzen oft vor der Tür auf der Treppe in der Sonne. Momentan wenig zu tun in der Branche.
Gar nichts zu tun haben die Schausteller mit ihren Kettenkarussells und Wurstbuden. Die Oktoberfeste abgesagt und die Weihnachtsmärkte in Frage gestellt. Über ein Kostüm am Rosenmontag 2021 brauch ich auch nicht nachdenken, denn der fällt genauso aus, wie der 11.11 in diesem Jahr. Wir haben ja schon einiges durchgestanden und vieles bewältigt und wären froh, wenn nun endlich mal wieder das normale Leben stattfinden könnte.
Der Sonntagsgottesdienst ohne Anmeldung und Maskenzwang, der Seniorenkaffee, das Kindergartenfest, Burschenfest oder die Quätschenkirmes. Stattdessen sitzt man daheim und schaut sich im Fernseher die Katastrophen in der Welt an. Eigentlich geht es uns ja trotz aller Einschränkungen noch recht gut. Nicht zuletzt, weil wir in Deutschland leben, wo viel Geld in das Gesundheitssystem fließt und trotz vieler Freiheiten das Risiko einer Pandemie beherrschbar ist. Ob die versprochene Impfung gegen das Virus das Allheilmittel wird, da zweifeln inzwischen auch die Spezialisten.
Bleiben wir doch einfach weiter kreativ und suchen neue Wege unseren Alltag lebenswert zu machen. Ich zum Beispiel trage nicht gern, aber nähe gern Masken. Vielleicht mal mit Weihnachtsmotiv, Tannenbaum und Glitzerengel. Übernächsten Monat ist schon Advent und dann ist ratzfatz das Jahr zu Ende. Ein Jahr, das wie kein anderes plötzlich unser aller Leben verändert hat. (mabe) Fotos: Marlies Becker