Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft im Landkreis Altenkirchen (PSAG) führte in der Stadthalle Altenkirchen eine Fachtagung zum Thema „Macht-Arbeit-Psychisch-Krank“ durch.

Arbeitgeber aus der Region, Fachpublikum sowie interessierte Bürger waren eingeladen, sich über Hintergründe zu informieren und neue Ansätze zur Intervention und Prävention zu diskutieren. Die PSAG tritt satzungsgemäß seit Jahren für die Verbesserung der Situation psychisch kranker Menschen im Landkreis Altenkirchen ein. Immer mehr Menschen in unserer Region werden durch Arbeit, Arbeitsbedingungen oder Dauerarbeitslosigkeit psychisch krank. Die Vermittlung von Menschen mit psychischer Erkrankung seitens der Jobcenter oder den Trägern beruflicher Rehabilitation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gestaltet sich als äußert schwierig. Volkswirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch gesehen stehen Kommunen wie der Landkreis Altenkirchen vor der Aufgabe, sich dieser Entwicklung entgegen zu stellen. Ziel des Fachtages war es daher, besonders Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände, Ämter, Öffentlichkeit und soziale Institutionen im Landkreis Altenkirchen für das Thema „Psychische Erkrankung“ im Kontext Arbeit zu sensibilisieren. Darüber informierte der Fachtag, der unter der Schirmherrschaft von Landrat Michael Lieber stand, über die Chancen und Risiken des Arbeitsmarktes der Zukunft sowie neue Ansätze der psychosozialen Präventions- und Interventionsmöglichkeiten, Anlaufstellen und Netzwerke generieren. Dr. Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik am Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, stellte die aktuellen Entwicklungen im Kontext psychischer Erkrankung und der Arbeitswelt her: So habe sich laut Angaben der AOK innerhalb der letzten sechs Jahre die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage am Arbeitsplatz durch Burn-Out verneunfacht.
Durch Veränderungen in der Arbeitsorganisation, die einhergehen mit Zielvereinbarungen und erfolgsabhängigen Entlohnungssystemen, tritt, so Schneider, der Verantwortungsstress in den Vordergrund. Eine Bedrohung durch Überforderung sei die Folge dieser Entwicklung. Schneider lieferte einen wichtigen Lösungsansatz gleich mit: „Unbegrenzte Möglichkeiten erfordern selbst gesetzte Grenzen, damit aus einer Bedrohung Chancen erwachsen können.
Wiebke Ahrens, Koordinatorin des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit in Berlin, forderte die anwesenden Arbeitgeber auf, sich und ihre Betriebe zu sensibilisieren für die psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Hierzu seien präventive Strategien notwendig: „Es geht um Wertschätzung, Anerkennung und Offenheit zwischen Leitungen und Personal“.
Die Dimension von Arbeitnehmern mit psychischen Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen und geschützten Arbeitsmarkt war Inhalt der Ausführungen von Uli Schmidt vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales. Seit 2007 ist er in der Servicestelle für Integrationsfirmen in Rheinland-Pfalz zuständig, um Teilhabe, Inklusion und Selbstbestimmung von behinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. „Arbeit stärkt das Selbstwertgefühl und ermöglicht Kontakte, so Schmidt. Dies sei zwingende Grundlage im Berufsleben beeinträchtigter Menschen. Schmidt nannte zahlreiche Beispiele, wie Integrationsbetriebe, die psychisch kranken Menschen Arbeitsplätze bieten, auch im Kreis Altenkirchen wirtschaftlich funktionieren. Er machte damit Geschäftsführungen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen Mut, in ihren Firmen Integrationsabteilungen zu Gründen. In der darauf folgenden Podiumsdiskussion wurde das Phänomen des „Verantwortungsstresses“, das auf alle im Erwerbsleben stehenden Menschen gleichermaßen zutrifft von den Diskussionsteilnehmern unterschiedlich gewichtet.
Dr. Daniela Engelhardt stellte in diesem Zusammenhang die grundlegende Frage: „In was für einer Gesellschaft möchten und können wir gut leben und arbeiten – wie können Sicherheiten geschaffen, Grenzen gesetzt und Druck minimiert werden“? Es bestand Einigkeit darüber, dass sowohl Arbeitsbedingungen als (vor allem) auch Arbeitslosigkeit im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit stehen und dass diese Thematik bzw. Menschen mit psychischer Erkrankung in nahezu jedem Betrieb eine Rolle spielen. „Daher“, so Rudolf Düber, „muss die Entstigmatisierung dieses Themenbereiches weiterhin gefördert werden.“ Dass es eine zunehmende Bereitschaft von Unternehmern gibt, sich diesem Themenbereich anzunehmen – auch aufgrund der Erkenntnis, dass ansonsten wichtige personelle Ressourcen für das Unternehmen verloren gehen, ist eine positive Erkenntnis des Fachtages. Uwe Reifenhäuser: „Warum sollte ich auf diesen für das Unternehmen wichtigen Fachmann verzichten?“ Integrationsbetriebe werden als eine wichtige und positive Möglichkeit und Chance für den Personenkreis der bereits psychisch erkrankten Menschen erkannt und wahrgenommen: hierzu bedarf es allerdings auch den Mut neue Wege zu gehen, z.B. bezüglich möglicher Finanzierungsmodelle. Heiner Kölzer führte in seinem Statement aus, dass auch die Jobcenter im Kreis in der Lage sind arbeitslose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen durch geeignete Maßnahmen zu fördern und ihnen den beruflichen (Wieder)-einstieg zu ermöglichen .Oft sind seinen Mitarbeitern die psychischen Erkrankungen und die daraus hervorgehenden Beeinträchtigungen im Arbeitsleben jedoch nicht bekannt und können so in der Beratung zunächst nicht berücksichtigt werden.
Um dem Thema vor allem auch präventiv begegnen zu können, ist es wichtig, die Stimme der Betroffenen zu hören; da hier die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen/arbeitsmarktlichen Bedingungen und persönlicher Überforderung am deutlichsten werden
„Ich hatte das Gefühl, nicht so sein zu dürfen, wie ich bin“, so Elisabeth Eberts als Vertreterin von psychischer Krankheit betroffener Menschen. Ihr habe es aber sehr geholfen, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in einem Integrationsbetrieb auf gut vernetzte Hilfsangebote zurückgreifen zu können und damit wieder ein hohes Maß an Eigeninitiative und Lebensmut entwickeln zu können.
Dr. Ralf Sachartschenko wies darauf hin, wie wichtig es sei, eine gute, fachlich gesicherte Diagnostik als Grundlage für gelungene berufliche (Wieder)-eingliederungsprozesse zu betreiben: „Hier muss eine enge Vernetzung der Akteure stattfinden.“
Klaus Gerhardus, Sprecher des Arbeitskreises „Arbeit“ der PSAG, resümierte in seinem Schlusswort, dass „eine neue Dimension von gegenseitiger Aufmerksamkeit, Interesse und Wertschätzung zwischen Arbeitskollegen, Arbeitgebern und Arbeitnehmer gebraucht wird, um der Entwicklung psychischer Belastung am Arbeitsplatz entgegen zu wirken.“ Der Fachtag solle nachhaltig dazu dienen, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu bleiben, um in einem Netzwerk mit Unternehmer- und Arbeitnehmerverbänden, Politikern, Fachärzten, Psychosozialen Einrichtungen und Krankenkassen den Grundstein für tragfähige präventive und integrative Lösungsansätze zu erarbeiten.
Titelfoto: Dr. Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik, beim Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Bonn